Lira-Absturz

Türkische Krisen­politik auf Bewährung

Eine Einlagengarantie als Mittel gegen die Währungskrise? Die Regierung in der Türkei konkretisiert ihr ungewöhnliches Vorhaben. Erste Erkenntnisse zur Resonanz sind allerdings bescheiden.

Türkische Krisen­politik auf Bewährung

rec Frankfurt

Die türkische Regierung arbeitet fieberhaft daran, die kurz vor Weihnachten vorgestellte Einlagengarantie für Sparer zum Schutz gegen den Währungsverfall umzusetzen. Sie will spezielle Anleihen auflegen, mit denen Geschäftsbanken zusätzliche Zinsprämien für Sparer über die Notenbank refinanzieren können. Das geht aus einem Gesetzentwurf der Regierungspartei AKP hervor, über den die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Auf diese Weise will Ankara Sparer gegen Wechselkursrisiken absichern, ohne Banken und den Staatshaushalt massiv zu belasten. Allerdings machen Kunden offenbar nur zögerlich von dem Hilfsprogramm Gebrauch.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte das ungewöhnliche Maßnahmenpaket im Kampf gegen die Lira-Krise am 20. Dezember vorgestellt. Im Kern geht es darum, dass Sparer nicht auf Verlusten durch Abwertungen der Landeswährung sitzenbleiben sollen. Ankara reagiert damit auf den Lira-Kollaps, der Experten zufolge auf Erdogans Zinssenkungsdiktat bei hoher Inflation zurückzuführen ist. Die Teuerungsrate ist im Dezember offiziell auf 36,1% gesprungen. Teile der Opposition und Kritiker gehen von noch stärkerer Geldentwertung aus.

Die Lira ist nach kurzzeitiger Erholung rund um den Jahreswechsel abermals unter Druck geraten. In der Einlagengarantie sehen manche Beobachter einen Lackmustest, ob eine Schieflage des Bankensektors infolge der Währungskrise zu verhindern ist. Das reformierte Bankensystem galt bislang als Stärke der Türkei, ist aber anfällig für Abwertungen und Kapitalflucht, weil viele Kreditverträge in der Türkei auf Dollar laufen und das Gros der Spareinlagen in Fremdwährungen denominiert ist. Timothy Ash, Schwellenländer­experte von Bluebay Asset Management, verweist darauf, dass Bankkunden in der Woche vor Weihnachten 17% ihrer Lira-Einlagen abgezogen hätten. „Falls das so weitergeht, haben wir es mit einem Bank Run zu tun.“

Die erste diesbezügliche Bewährungsprobe stehe in diesen Tagen an, wenn immer mehr Marktteilnehmer aus dem Weihnachtsurlaub zurückkehrten und die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen für sich bewerteten, so DZ-Bank-Ökonom Sören Hettler. Die Lira scheine zwar „fürs Erste das Schlimmste überstanden“ zu haben. Es sei aber „nicht ausgeschlossen, dass der Markt die Glaubwürdigkeit der staatlichen Versprechen zeitnah testen und sich gegen die Lira positionieren wird“.

Erste Eindrücke aus Finanzkreisen deuten auf eine verhaltene Resonanz hin. Zwar seien mehr als 90 Mrd. Lira (umgerechnet 5,8 Mrd. Euro) an Ersparnissen auf neue, währungsgesicherte Konten geflossen, wie Bankenvertreter der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Aber nur wenige Kunden hätten Devisen wie Dollar, Euro und Gold in Lira getauscht und transferiert, was eigentlich beabsichtigt war. Nach Angaben der Bankenaufsichtsbehörde BDDK beliefen sich die Einlagen im türkischen Bankensystem Ende 2021 auf 5,3 Bill. Lira (rund 349 Mrd. Euro), davon fast zwei Drittel in Fremdwährungen. Ein hochrangiger Vertreter der Regierungspartei AKP sagte laut Reuters, die Beteiligung an dem Programm nehme zwar jeden Tag zu, er räumte aber ein, dass es bislang hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei. Die Regierung in Ankara arbeite nun an weiteren Schritten, um die Attraktivität der Währung zu steigern. Dabei geht es offenbar auch um Produkte für den Bondmarkt. Der Nachrichtenagentur Nikkei zufolge er­wägt die Regierung, inflationsgeschützte Anleihen in Lira aufzulegen.

Unterdessen hat die Zentralbank weitere Geschütze zur Stabilisierung der Lira aufgefahren. Zur Wochenmitte kaufte sie zum ersten Mal seit mehr als einem Jahr Staatsanleihen, und zwar im Wert von 300 Mill. Lira (19,2 Mill. Euro). Vor dem Hintergrund der Spirale aus Inflation und Währungsabwertung war die Rendite zehnjähriger türkischer Staatstitel auf ein Allzeithoch von fast 25% gestiegen. Anzeichen für Zinserhöhungen, die Beobachter für dringend geboten halten, gibt es nicht. Der nächste Zinsentscheid ist für den 20. Januar angesetzt.