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ZEW-Barometer taucht ab

Die Energiekrise und eine weltweit schwächelnde Nachfrage vertiefen die Sorgenfalten der Finanzmarktprofis. Gemessen an den ZEW-Konjunkturerwartungen sind sie so pessimistisch wie zuletzt während der globalen Finanzkrise.

ZEW-Barometer taucht ab

ba Frankfurt

Finanzmarktexperten blicken wegen der Energiekrise und der schwächelnden chinesischen Wirtschaft so besorgt auf die weitere konjunkturelle Entwicklung in Deutschland und im Euroraum wie zuletzt während der globalen Finanzkrise 2008. Dass die jeweiligen ZEW-Konjunkturbarometer von ihren ohnehin niedrigen Ständen im September weiter gefallen sind, schürt die Sorgen um Tiefe und Dauer der erwarteten Rezession. Die vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ermittelten Konjunkturerwartungen für die deutsche Wirtschaft sind um 6,6 auf −61,9 Punkte gefallen. Ökonomen hatten den dritten Rückgang in Folge erwartet, allerdings nur auf einen Wert von −60 Zählern. Dabei wurde auch die aktuelle Lage schlechter beurteilt als im August. Der entsprechende Indikator sank um 12,9 auf −60,5 Punkte.

„Die Aussicht auf Energieengpässe im Winter lassen die Erwartungen für große Teile der deutschen Industrie noch negativer werden“, kommentierte ZEW-Präsident Achim Wambach das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 167 Analysten und institutionellen Anlegern. „Bereits die aktuellen statistischen Zahlen zeigen einen Rückgang von Auftragseingängen, Produktion und Exporten“, sagte Wambach. Infolge der massiv gestiegenen Gas- und Strompreise dürften Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes ihre Produktion einschränken oder sogar stilllegen – die energieintensiven Branchen hätten ihren Output seit Jahresbeginn bereits um 7,5% zurückgefahren, erklärte Bantleon-Ökonom Jörg Angelé. Wegen der Energiekrise rechnet Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), damit, „dass Deutschland in eine massive Rezession reinfährt“. Es gehe jetzt darum, Energie zu sparen, wo es geht, um die Nachfrage zu senken, zitiert Reuters eine Rede des BDI-Chefs beim Kongress des Verlegerverbands BDZV. Zugleich müsse man auch mit allen Mitteln Strom produzieren, um das Angebot zu erhöhen.

Noch ist ungewiss, wie es nach dem Lieferstopp Russlands durch die Pipeline Nordstream 1 Anfang des Monats weitergeht. Bislang füllen sich die Gasspeicher zwar schneller als erwartet, doch Sicherheit bietet dies nicht. Zu den Energiesorgen hinzu kommt ZEW-Chef Wambach zufolge eine ungünstigere Einschätzung des Wachstums in China – hier fiel das Barometer um 21,3 auf −14,3 Punkte. Aber auch die Erwartungen an die US-Konjunktur fielen mit einem Rückgang um 3,4 auf –39,6 Punkte geringer aus als im August.

Nachfrageschwäche

Die USA und China sind für Deutschland wichtige Absatzmärkte, deren Schwäche sich schon im Ergebnis des zweiten Quartals zeigte: Im Quartalsvergleich legte die hiesige Wirtschaft um 0,1% zu, wobei der Außenhandel den Wachstumsschub des privaten und staatlichen Konsums ausbremste. Die schwindende Kaufkraft der privaten Haushalte infolge der hohen Inflation und der Sorgen, wie hoch künftig die Energierechnungen ausfallen werden, ist ein weiterer Faktor, warum gemeinhin mit einer Rezession gerechnet wird. Während sich die deutsche Wirtschaft im ersten Halbjahr als widerstandsfähig erwiesen habe, hätte sich der Ausblick für das zweite Halbjahr merklich eingetrübt, warnt auch das Bundeswirtschaftsministerium: „Die deutsche Wirtschaftsleistung könnte in der zweiten Jahreshälfte stagnieren oder rückläufig sein“, heißt es im Monatsbericht September.

Die Einschätzung der vom ZEW befragten Experten für die Eurozone fallen nicht viel besser aus: Die Konjunkturerwartungen sanken um 5,8 auf −60,7 Punkte. Der Lageindikator fiel um 16,9 auf −58,9 Zähler.

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