IW-Studie

Zinswende lässt deutsches BIP um zweistelligen Milliardenbetrag schrumpfen

Nach einer Modellrechnung des IW Köln sank die deutsche Wirtschaftsleistung wegen der Zinswende bislang um 25 Mrd. Euro. Der Betrag wird noch höher werden, auch ohne weitere Zinserhöhung.

Zinswende lässt deutsches BIP um zweistelligen Milliardenbetrag schrumpfen

Zinswende kostet Wirtschaft Milliarden

IW-Studie: Geldpolitik bremst in Deutschland vor allem die Industrieproduktion aus

mpi Frankfurt

Die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank haben die deutsche Wirtschaft stark ausgebremst. Nach einer Modellrechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft sank die Wirtschaftsleistung wegen der Zinswende bislang um 25 Mrd. Euro. Der Betrag wird noch höher werden, auch ohne weitere Zinsanhebungen.

Mit dem straffsten Zinserhöhungszyklus in der Geschichte der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Notenbank die Konjunktur in der Eurozone stark ausgebremst. Einer Modellrechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) zufolge haben die Auswirkungen der Zinserhöhungen allein in Deutschland das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den Jahren 2022 und 2023 um rund 25 Mrd. Euro gesenkt.

Die restriktive Geldpolitik der EZB dämpft dabei auf vier verschiedenen Wegen die Realwirtschaft – was von der Notenbank durchaus beabsichtigt ist, um den Inflationsdruck zu senken. Erstens führt der Anstieg der Leitzinsen um insgesamt 450 Basispunkte seit Juli 2022 dazu, dass sich die Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen und Haushalte verschlechtern. Seit Januar 2021 haben sich etwa die Bauzinsen in Deutschland vervierfacht, wie die IW-Ökonomen Thomas Obst und Henrik Förster in ihrer Studie festhalten. Aus Umfragen und Daten der EZB geht hervor, dass immer mehr Unternehmen berichten, dass sich ihre Finanzierungssituation vor allem bezogen auf Bankkredite verschlechtert.

Vier Effekte der Zinserhöhungen

Zweitens führen die höheren Zinsen zu einer Aufwertung des Euro gegenüber anderen Währungen. Dies verteuert inländische Produkte, was die Nachfrage nach diesen im Ausland reduziert. Drittens kam es infolge der Zinswende zu einer Abwärtskorrektur von Aktien und Immobilien, da die höheren Zinsen die alternative Anlageklasse Anleihen attraktiver machen. Zudem reduzieren die höheren Kapitalkosten die Nachfrage nach Immobilien, was ebenfalls zu einer Abwertung von Immobilien führt.

Der vierte Effekt der Geldpolitik auf die Wirtschaft bezieht sich auf das höhere Zahlungsausfallrisiko. Infolgedessen erhalten Kreditnehmer schlechtere Kreditkonditionen von den Banken. Dies wiederum bringt eine geringere Nachfrage nach Krediten bei Unternehmen wie auch Privathaushalten mit sich. „Dieser gesamtwirtschaftliche Nachfragerückgang führt nicht nur zu einem sinkenden Preisniveau, sondern auch zu einer Dämpfung der Realwirtschaft“, heißt es in der Studie.

Verzögerte Wirkung

In der Modellrechnung des IW Köln, das die reale Situation der Jahre 2022 und 2023 mit einer fiktiven vergleicht, in der es die Zinswende nie gegeben hat, zeigt sich, dass vor allem die Industrieproduktion hierzulande unter den steigenden Zinsen gelitten hat. Hier schlägt für das laufende Jahr ein Minus von 1,02% zu Buche. Die Bauinvestitionen – der Bausektor gilt als besonders zinssensibel – schrumpften mit einem Minus von 0,67% weniger stark. Deutlich zurückgegangen sind auch die Privatinvestitionen. Zusammengenommen fiel das deutsche BIP wegen der geringeren Wirtschaftsaktivität um 0,66% niedriger aus.

Die Effekte für 2022 sind in allen Bereichen schwächer. Zum einen begann die Zinswende erst im Sommer. Zum anderen haben Zinserhöhungen eine verzögerte Wirkung. Daher führte die Geldpolitik der EZB laut IW Köln im vergangenen Jahr nur zu einem um 0,11% geringeren BIP.

Unterm Strich summieren sich die Verluste damit auf rund 25 Mrd. Euro für die Jahre 2022 und 2023. Eine weitere Zinserhöhung im laufenden EZB-Zinszyklus wird es ohne erneuten exogenen Preisschock nach Einschätzung von Ökonomen nicht geben. Da die bisherigen Zinserhöhungen aber ihre volle Wirkung noch nicht entfaltet haben, werden sie auch 2024 die deutsche Wirtschaftsleistung drücken. Laut IW könnten die negativen Effekte auf das BIP im kommenden Jahr bei etwa 14 Mrd. Euro liegen.

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