Aktienkauf

Aktiv in eigener Sache

Unternehmen sind vermehrt bestrebt, über den Kauf eigener Aktien Geld an die Anleger zurückzugeben. Der Druck auf effizienten Kapitaleinsatz steigt.

Aktiv in eigener Sache

Nach Abflauen der Coronakrise ist kaum ein Tag vergangen, an dem nicht ein Unternehmen einen Aktienrückkauf angekündigt hat. Auch nach Ausbruch des Ukraine-Krieges setzt sich dieser Nachrichtenstrom fort – jüngst mit Deutscher Post, Wienerberger oder in den USA Amazon. Der Drang, den Aktionären als Ausdruck einer starken Finanzkraft jenseits der Dividende zusätzlich Gutes zu tun, ist mehr als ausgeprägt. Mancherorts ist die Freigebigkeit allerdings auch primär vom Frust des Managements motiviert, dauerhaft unter der Qual einer unterbewerteten Aktie zu leiden.

Die Spendierhosen haben in jüngerer Vergangenheit vor allem die US-Techkonzerne an. Der iPhone-Hersteller Apple bricht Rekorde und hat seit 2011 in jedem Jahr für mindestens 50 Mrd. Dollar eigene Aktien erworben. Im Geschäftsjahr 2021 erhöhte das Unternehmen aus Cupertino auf fast 90 Mrd. Dollar und verteilte zudem noch 14,5 Mrd. Dollar als Dividende an die Aktionäre. Im ersten Quartal des neuen Fiskaljahres ging es locker mit 20 Mrd. Dollar weiter. Auch der Internetriese Alphabet hat 2021 rund 50 Mrd. Dollar über Rückkäufe an die Anteilseigner zurückgegeben. Microsoft war in den vergangenen Jahren mit Programmen bis 40 Mrd. Dollar im Rennen und erhöhte den Rahmen im vergangenen Herbst auf 60 Mrd. Dollar. In der „Old Economy“ der Vereinigten Staaten geht es bescheidener zu, doch auch der Ölkonzern Chevron hat erst Anfang März inmitten der Ölpreis-Rally angekündigt, das Rückkaufprogramm von 3 bis 5 Mrd. auf 5 bis 10 Mrd. Dollar ausweiten zu wollen –  was die Aktie des Ölkonzerns auf Rekordhoch hievte.

Zielgerichtete Kapitalallokation rückt auch in europäischen Konzernen zunehmend auf die Agenda, vor allem bei Unternehmen mit einem hohen Anteil angelsächsischer Investoren, die vehement auf einen dauerhaft effizienten Kapitaleinsatz pochen und es nicht akzeptieren, wenn Geld ungenutzt in der Firmenkasse liegt. Üppige Cashflows haben auch zahlreiche deutsche Emittenten zuletzt bewogen, Geld zurück in den Markt zu geben. Vorn im Dax steht Linde, die als weltgrößter Industriegaseanbieter und amerikanisch-deutscher Konzern eine Sonderstellung im Kreis der hiesigen Blue Chips einnimmt. Das Unternehmen hat das Rückkaufprogramm unlängst nicht nur erneuert, sondern angesichts eines Rekord-Mittelzuflusses auf bis zu 10 Mrd. Dollar verdoppelt. Der neue CEO Sanjiv Lamba setzt sich bei Investoren mit der Zusage in Szene, dass der Erhalt einer starken Bilanz für ihn Vorrang in der Kapitalallokation habe, genauso wie Investitionen in qualitativ hochwertige Wachstumschancen und eine jährlich steigende Dividende. Was übrig bleibe, komme den Anteilseignern über Aktienrückkäufe zugute. An Überfluss herrscht hier kein Mangel, verteilte Linde doch 2021 schon 6,8 Mrd. Dollar über Rückkauf und Ausschüttung an die Aktionäre und steckte mit 3,2 Mrd. noch weniger als die Hälfte dieser Summe in Investitionen. Das Budget für die Expansion des Geschäfts lässt gleichwohl nicht den Verdacht aufkommen, dem Management fehle es an Ideen und es leite das Geld deshalb an womöglich einfallsreichere Aktionäre weiter.

Ideenlosigkeit mit Blick auf Transaktionen und den organischen Ausbau des Geschäfts wird oft von Anlegern als Kritik gegen Aktienrückkäufe vorgebracht. Allerdings lässt sich ein womöglich überteuerter Zukauf ohne strategische Logik nicht damit rechtfertigen, dass zu viel Geld in der Kasse ist. Covestro-CFO Thomas Toepfer gibt unumwunden zu, dass große Akquisitionen derzeit nicht im Fokus stehen und er stattdessen eine Investition in die eigenen Aktien für das beste Investment halte. Auch der Vorwurf der Ertragskosmetik über Rückkäufe läuft ins Leere, denn den Aktionären bliebe nicht verborgen, wenn das Ergebnis je Aktie allein über die Kapitalverringerung gesteigert würde. Das würde abgestraft, genauso wie Versuche des Vorstands, sein Gehalt aufzubessern, indem Kennzahlen optisch aufgehellt werden. Ein effizienter Kapitaleinsatz und eine Verringerung der Eigenkapitalkosten kommen dagegen sichtbar allen Aktionären zugute.

Mancher deutsche Fonds bevorzugt dennoch die Bardividende im Vergleich zum Aktienrückkauf, weil sie ihm größere Flexibilität im Liquiditätsmanagement gibt. Die Unternehmen lassen sich davon nicht stoppen. Für sie überwiegt der Vorzug, sich mit einem in der Regel auf mehrere Jahre ausgelegten Rückkaufangebot nicht auf eine Auszahlungshöhe festlegen zu müssen. Das schafft Spielraum – gerade in unsicheren Zeiten.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.