KommentarAutogipfel

Bitterer Realitätscheck

In den Finanzen des Bundes klafft nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Umwidmung von Coronakrediten in den Klima- und Transformationsfonds eine große Lücke. Nach dem Realitätscheck beim Autogipfel sind neue Ideen gefragt, wie es mit der Förderung der Elektromobilität haushaltstechnisch weitergehen soll.

Bitterer Realitätscheck

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Bitterer Realitätscheck

Von Carsten Steevens

Förderpläne für die E-Mobilität stehen in Frage. Jetzt sind neue Ideen gefragt.

Das wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November hat Kreditermächtigungen über 60 Mrd. Euro für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) unhaltbar werden lassen. Die Folgen der Entscheidung sind gravierend und verursachen weit über die Politik hinaus Kopfzerbrechen. Wichtige Investitionen in Klimaschutz und andere Zukunftsprojekte stehen in Frage. Gerade in Bereichen wie der Elektromobilität, die ohne staatliche Förderung derzeit noch nicht rentabel sind, lassen sich die konkreten Auswirkungen des Urteils nicht abschätzen.

Dabei war schon vor dem 15. November erkennbar, dass das Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen Elektrofahrzeugen im Jahr 2030 in Anbetracht der gegenwärtigen Hochlaufkurve mit den aktuellen Programmen und Fördermaßnahmen deutlich verfehlt wird. Prognosen von Branchenexperten lassen bei Neuzulassungen von 450.000 rein elektrischen Pkw in diesem Jahr bzw. 650.000 im Jahr 2025 erwarten, dass 2030 allenfalls 7 bis 8 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen unterwegs sein werden. Die Umsetzung einer wesentlichen politischen Vorgabe zur Emissionsminderung und Dekarbonisierung könnte sich verzögern, möglicherweise um Jahre.

Wie dringend schnelle Fortschritte beim Ausbau der Elektromobilität wären, zeigen weitere Zahlen: Anfang November waren rund 1,3 Millionen reine E-Autos zugelassen – bei einem Pkw-Bestand von insgesamt fast 50 Millionen. Unklar ist, inwieweit nun staatliche Fördermaßnahmen zur Ankurbelung des Fahrzeugabsatzes und zur Schaffung der benötigten Infrastruktur nach dem Gerichtsurteil auf der Kippe stehen. So sah der Entwurf des KTF-Wirtschaftsplans für die kommenden vier Jahre eine Förderung zur Weiterentwicklung der Elektromobilität einschließlich Ladeinfrastruktur von 4,7 Mrd. Euro vor. Ideen, woher das Geld für diese Förderpläne nun kommen könnte, hat der gestrige Autogipfel im Bundeskanzleramt nicht geliefert.

Die Teilnehmer demonstrierten stattdessen den Schulterschluss in Allgemeinplätzen wie dem, dass die Anschaffungskosten von elektrischen Pkw gesenkt werden müssten. Sie begrüßten Maßnahmen, um den Aufbau von Halbleiter- und Batterieproduktionskapazitäten zu fördern, und betonten, wie wichtig die angekündigten großen und kleineren Investitionen in den Ausbau der Industrienetzwerke sowie die verlässliche Versorgung mit Rohstoffen und Halbleitern seien. Der Aufbau der Ladeinfrastruktur werde intensiv fortgesetzt. Nun ja. Die Politik wird nach diesem eher bitteren Realitätscheck schnell Wege aufzeigen müssen, wie diese Anforderungen haushaltstechnisch zu lösen sind.

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