Leitartikel Wachablösung der Banken

Der Siegeszug der Geldanlage-Fintechs

Sechs Millionen Kunden haben die drei großen deutschen Geldanlage-Fintechs. Die Wachab­lösung der Banken findet scheibchenweise statt.

Der Siegeszug der Geldanlage-Fintechs

Allen Unkenrufen zum Trotz entdecken die Deutschen die private Altersvorsorge über den Kapitalmarkt. Gut zwölf Millionen Bundesbürger sind nach dem Motto „Mit Aktien- und Fondssparen der Inflation trotzen“ aktiv oder sie parken liquide Mittel in Tages- und Festgeldern. Das ist ein Trend, von dem insbesondere die Investment-Fintechs profitieren.

Die Bestandsaufnahme zeigt, dass allein die großen drei, Trade Republic, Raisin und Scalable Capital, kumuliert mehr als 100 Mrd. Euro Assets under Management haben. Dabei brauchte Raisin sechs Monate, um weitere 10 Mrd. Euro an Kundengeldern anzuziehen. Scalable erreichte kürzlich eine Million Kunden und durchbrach die Schwelle von 20 Mrd. Euro bei den Kundengeldern, womit pro Depot stattliche 20.000 Euro registriert sind.

Steter Zustrom an Neugeldern

Eine Kennzahl, die Banken aufhorchen lassen sollte, denn hier werden keine Pfennigbeträge angelegt. Wobei der stete Zustrom an Neugeldern bei den über das Brokerage kommenden Geldanlage-Fintechs primär aus den ETF-Sparplänen stammt, was vor allem bei der Trade-Republic-Klientel mit Kleckerbeträgen anfängt. Dementsprechend sind hier bei zuletzt vier Millionen Kunden rund 9.000 Euro pro Kunde auf der Plattform, was 35 Mrd. Euro an Assets ergibt. Wobei sich diese Angaben auf das vergangene Geschäftsjahr beziehen – pro Monat kommen rund 100.000 Kunden hinzu.

Eine Million auf der Warteliste

In welche Dimensionen das führt, kann sich jeder selbst ausmalen. Welche Resonanz Trade Republic im Retail Banking hat, das illustriert auch die Einführung der Visa-Debitkarte: Mehr als eine Million Personen haben sich in der Warteliste dafür eingetragen, bei Empfang der (Metall-)Karte stellen die glücklichen Besitzer Unboxing-Videos auf Sozialen Netzwerken ein. Dass ein einfaches Produkt so zelebriert werden kann, das erlebt man nicht alle Tage. Es zeigt aber, zu was für einer Markenbildung Trade Republic imstande ist.

Wobei der strategische Impetus darauf liegt, dass im Rahmen einer großzügigen Cashback-Gewährung mit jeder Kartenzahlung etwas in den Sparplan eingezahlt wird. Damit bleibt sich Trade Republic selbst treu, indem alles auf das Wertpapiersparen gedreht wird – und kurbelt das Brokerage-Neukundengeschäft über ein Bankprodukt an. Dabei verfügt Trade Republic zwar seit Dezember über eine eigene Vollbank-Lizenz, will aber selbst keine fette Bankbilanz aufbauen, um das regulatorische Eigenkapital kleinzuhalten. Ein voluminöses Kreditgeschäft wird es bei Trade Republic nie geben.

Die Bilanz kleinhalten

Das hat dann den Nebeneffekt, dass man nicht als Bank bewertet wird, sondern als Tech-Wert mit Finanzgeschäft. Das ist ja die große, im Hintergrund stattfindende Fintech-Story: Egal, ob man als Broker oder Payment-Spezialist ins Rennen gegangen ist, das Geschäft lässt sich über API-Modelle („As-a-Service“) erweitern und damit der Umsatzmix ohne eigene Bankbilanz gestalten. Und diese Fintechs, die kooperieren: Es gibt derzeit eine ganze Flut an Early-Stage-Fintechs, die auf Geldanlage und Finanzbildung gehen und dabei ein Modul nach dem anderen aufschalten.

Bei Trade Republic werden außerdem simple Dinge zum Knallerprodukt. In Kürze kommt das Girokonto, wobei sich dieses zunächst auf Überweisungen und Daueraufträge beschränken wird. Im Depositengeschäft eröffnen sich zwar zusätzliche Möglichkeiten, aber man fährt ganz gut damit, die über Partner zugänglichen Verzinsungen einfach an Kunden weiterzuleiten. Der Nebeneffekt: So bleiben Gelder auf der Plattform und sind sofort verfügbar für Aktieninvestments.

Mit kleinem Geldbeutel fängt es an

Und was die noch geringen Depotgrößen betrifft: Es ist ja gerade das Verdienst von Geldanlage-Fintechs wie Trade Republic, dass Menschen mit kleinem Geldbeutel überhaupt Zugang zum Kapitalmarkt erhalten. Und steter Tropfen höhlt den Stein: Diese Start-ups wachsen mit ihren Kunden, die über die Zeit höhere Gehälter und Bonitäten erhalten und dann ihre Kapitalmarktallokation über die vertraute Fintech-Plattform erhöhen. Um die Heimat für Retail-Geldanlage zu sein, baut man ein langfristiges Geschäft auf.

Geldanlage

Der Siegeszug der Fintechs

Von Björn Godenrath
Von Björn Godenrath

Sechs Millionen Kunden haben die Geldanlage-Fintechs. Die Wachab­lösung der Banken findet scheibchenweise statt.

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