Mailand

Energiekrise bedroht die italienische Kaffeekultur

Viele Cafés haben die Preise in Italien jüngst kräftig erhöht. Als Rechtfertigung hängen viele von ihnen ihre Energierechnungen aus. Trotzdem haben die großen Kaffeeunternehmen noch fette Margen.

Energiekrise bedroht die italienische Kaffeekultur

Der morgendliche Espresso im Café, oft im Stehen am Tresen eingenommen, ist Teil der Lebenskultur Italiens. Doch während der Corona-Pandemie sind die Italiener gezwungen gewesen, ihren „caffè“ zu Hause zu trinken. Nicht alle sind danach in die Cafés zurückgekommen. Die Verkäufe etwa des Kaffeeherstellers Illy aus Triest im Restaurant- und Gastwesen sind zwar wieder deutlich gestiegen, liegen aber nach wie vor unter dem Vor-Pandemie-Niveau.

Dass sie dahin zurückkommen, ist vorerst eher unwahrscheinlich. Denn die zuletzt stark gestiegenen Preise halten vermutlich viele Kunden fern. Viele der rund 300000 Gastronomiebetriebe im Land mit etwa einer Million Beschäftigten kämpfen ums Überleben. „Wenn die Kosten dauerhaft die Einnahmen überschreiten, werden viele unserer Betriebe bald schließen müssen“, fürchtet Aldo Cursano, Vizepräsident des Branchenverbandes Federazione Italiana dei Pubblici Esercizi, der selbst das Caffè Le Rose und zwei Restaurants in Florenz betreibt.

Der über Jahre fast wie in Granit gemeißelte Espresso-Preis von 1 Euro je Tasse war nie kostendeckend. Geld verdient haben die Baristi mit dem Verkauf von dazu gereichten Panini, Brioches, Cornetti oder anderen Produkten. Doch angesichts der zeitweisen Verdoppelung der Preise für die Kaffeesorte Arabica, die die Produzenten zumindest teilweise weitergegeben haben, vor allem aber wegen deutlich höherer Gas- und Stromrechnungen kostet der „caffè“ inzwischen meist 1,20 oder 1,30 Euro. Manche Cafés reduzieren die Öffnungszeiten und bauen Personal ab, um Kosten zu senken. Andere, wie das Traditionscafé Terzi in Bologna, haben zeitweise die Beleuchtung reduziert, was bei den Kunden gar nicht gut ankam. Nun verlangt das Terzi 1,50 Euro für den Espresso und 2 Euro für den Cappuccino. Andere Betriebe dürften nachziehen. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das immer noch günstig. Um die Preiserhöhungen zu rechtfertigen, haben viele Cafés ihre Strom- und Gasrechnungen öffentlich ausgehängt. Sie sind teilweise drei- bis viermal so hoch wie in der gleichen Vorjahresperiode.

Kaffeeproduzenten wie Lavazza oder Illy klagen nicht nur über die höheren Einkaufspreise sowie die gestiegenen Logistik- und Energiekosten, sondern auch über den starken Dollar. Laut Lavazza-Chef Antonio Ba­ravalle gibt das Unternehmen aus Turin jährlich etwa 1 Mrd. Dollar für den Einkauf von Kaffee aus. Jeder Cent mehr schlage mit 10 Mill. Euro zu Buche: „Wir mussten die Preise erhöhen.“ Ein Grund für die Preiserhöhungen war die schlechte Ernte in Brasilien, einem der weltweit wichtigsten Erzeugerländer. Dort wurden die Kaffeekulturen zuerst durch Trockenheit und dann durch Frost stark geschädigt.

Allerdings waren die Rohstoffpreise für Kaffee über viele Jahre sehr niedrig, so dass die Kaffeebauern davon kaum leben konnten. Die Kaffeeunternehmen hatten fette Margen – und das ist selbst jetzt noch so. Illy etwa war auch im ersten Halbjahr 2022 sehr rentabel. „Trotz des exponentiellen Anstiegs der Rohstoff- und Logistikkosten wuchs das Ebitda-Ergebnis aufgrund des Umsatzanstiegs und einer höheren operativen Effizienz, was die starke strategische Ausrichtung auf langfristige Wachstumstreiber widerspiegelt“, hieß es in einer Mitteilung zu den Halbjahresergebnissen.

Preiserhöhungen sind aus Sicht von Produzenten und Handel unumgänglich. Um ein Massensterben der Baristi zu verhindern, fordert Cursano weitere Hilfen vom Staat, vor allem eine Ausweitung der Maßnahmen zur Begrenzung der Energie- und Strompreise.

Für Kaffeetrinker, die ihren Espresso oder Cappuccino nun lieber zu Hause trinken, gibt es jetzt eine Möglichkeit, dies fast so stilvoll wie im Café um die Ecke zu tun. Kaffeemaschinenhersteller Cimbali, bekannt für die dampfenden und zischenden Bar-Maschinen der Marken La Cimbali und Faema, bietet im Jahr des 110. Firmenjubiläums mit der Faemina nun auch eine hochprofessionelle Maschine für den Hausgebrauch an – übrigens auch in Deutschland. Kostenpunkt: Um die 5000 Euro. Dafür kann man selbst bei den gestiegenen Preisen viele „caffè“ im Café nebenan trinken.

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