Logistik

Hamburgs Hafen verliert an Boden

Auch im Verlauf der Corona-Pandemie verliert der Hamburger Hafen im Wettbewerb mit Rotterdam und Antwerpen Marktanteile. Helfen könnte eine Kooperation, die auf sich warten lässt.

Hamburgs Hafen verliert an Boden

Von Carsten Steevens, Hamburg

Die Covid-19-Pandemie hat seit 2020 in besonderer Weise sichtbar werden lassen, wie wichtig Häfen für die Versorgung von Unternehmen und Verbrauchern mit Waren sind. Hunderte von Containerschiffen wurden infolge der coronabedingten Schließung von Häfen in China und den USA nicht abgefertigt. Globale Lieferketten sind nach wie vor gestört. Wann sie wieder reibungslos funktionieren werden, ist noch ungewiss.

Als größter deutscher Seehafen hat auch der Hamburger Hafen den Einbruch des Welthandels nach Ausbruch der Pandemie zu spüren bekommen. Der Umschlag schrumpfte so kräftig wie seit der Finanzkrise 2008/2009 nicht. Vor allem das wichtige Geschäft mit China – der Hamburger Hafen gilt als der zentrale europäische Anlaufpunkt für Containertransporte von und nach China – fiel deutlich zurück. Von den Tiefständen im Jahr 2020 hat sich der Containerumschlag zwar wieder etwas entfernt. Doch ist der Containerschiffsverkehr noch nicht zur Normalität zurückgekehrt.

Vor diesem Hintergrund verliert der Hamburger Hafen weiter Marktanteile im Wettbewerb. Wurden in den ersten drei Quartalen 2021 an den Kaikanten des drittgrößten Containerhafens Europas mit 6,5 Millionen TEU 2,2% mehr umgeschlagen als im Vorjahreszeitraum, legten die größeren Konkurrenten in der europäischen Nordrange – Rotterdam und Antwerpen – laut dem Branchendienst Alphaliner um 7,8% auf 11,5 Millionen Standardcontainer (TEU) bzw. um 2,7% auf 9,1 Millionen TEU zu. Die beiden größten europäischen Containerhäfen seien „auf einem Expansionspfad, den Hamburg nicht mitgeht“, verweist Levke Jessen-Thiesen, die am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) zu regionalökonomischen Fragen forscht, auf eine schon länger andauernde Entwicklung. Auch jenseits von den Einbrüchen während der Coronakrise habe sich der Umschlag im Hamburger Hafen vom grundsätzlichen Wachstumstrend im Güterhandel entkoppelt. Seit 2014 befinde sich der Gesamtumschlag des Hafens auf einem Abwärtstrend.

Die Position im Wettbewerb könnte die Ende Januar vollzogene endgültige Freigabe der jahrelang um­strittenen Elbfahrrinnenanpassung verbessern, die Containerschiffen mit größerem Tiefgang den Zugang zum Hamburger Hafen mit mehr Ladung ermöglicht. Ein Schiff der Megamax-Klasse könne nun bei idealen Bedingungen rund 2450 TEU mehr von und nach Hamburg liefern, so Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann. Das Einlaufen großer Schiffe aus Asien muss Hamburg erleichtern, auch um die in Europa führende Position im Verkehr mit China zu halten.

Zwar hat die im vorigen Jahr vereinbarte 35-prozentige Beteiligung des chinesischen Terminalbetreibers Cosco Shipping Ports Limited – eine Tochter des staatlichen Reedereikonzerns Cosco Shipping – am Hamburger Containerterminal Tollerort die langjährigen Verbindungen untermauert. Doch könnten chinesische Beteiligungen an einigen Mittelmeerhäfen und das Großprojekt der „Neuen Seidenstraße“ zu einer stärkeren Verschiebung der Verkehrsströme führen, wie Ökonomin Jessen-Thiesen anmerkt. Zudem könnten Entscheidungen einiger Reedereien, andere Nordrange-Häfen anzulaufen, schnell den Umschlag in Hamburg sinken lassen.

Bei der größten deutschen Containerreederei wird das Bekenntnis zum Hamburger Hafen unterstrichen. Hapag-Lloyd stehe mit seinen Allianzpartnern für rund 50% des Containeraufkommens. „Hamburg ist und bleibt ein wichtiger Hafen für Hapag-Lloyd“, so ein Sprecher des zu knapp 14% von der Stadt Hamburg getragenen Unternehmens. Die Reederei engagiert sich nach der 2021 vereinbarten Übernahme des zuvor vom dänischen Transport- und Logistikkonzerns A.P. Møller-Mærsk ge­hal­tenen 30-prozentigen Anteils am Containerterminal Wilhelmshaven sowie des Anteils von 50% am Rail-Terminal Wilhelmshaven künftig verstärkt auch im einzigen deutschen Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port. Der Hafen biete eine hohe Liegeplatzproduktivität und Kunden zusätzliche Flexibilität sowie sehr wettbewerbsfähige Transitzeiten und Hinterlandanbindungen.

Gleichsam stellt sich Hapag-Lloyd als Fürsprecher einer Kooperation im Containergeschäft in der Deutschen Bucht dar, über die der in Hamburg dominierende Terminalbetreiber HHLA sowie die Eigentümer des in Hamburg, Wilhelmshaven und Bremerhaven präsenten Konkurrenten Eurogate mit Beteiligung von Hamburg und Bremen sprechen. Eine Einigung sei wünschenswert: „Eine Kooperation würde Deutschland als maritimen Standort deutlich stärken und die Wettbewerbsfähigkeit ge­gen­über den Westhäfen erhöhen.“

Beim IfW Kiel wird betont, die deutschen Seehäfen hätten verschiedene Vorteile, die sich ergänzen könnten. „Am Ende möchte man Reedereien eine in Preis und Leistung attraktive Alternative zu anderen europäischen Hafenstandorten an­bieten“, so Jessen-Thiesen. Neben der regionalwirtschaftlichen Bedeutung sieht sie ein geoökonomisches Interesse, dass deutsche Häfen auch künftig Relevanz im internationalen Seeverkehr behalten. Werde die Entwicklung der Häfen durch landespolitische Rivalität ausgebremst, verschlechtere das deren Perspektiven, fügt sie mit Blick auf die im Mai 2020 offiziell bestätigten und sich in die Länge ziehenden Gespräche hinzu. „Ein gemeinsames Konzept zu entwickeln, das die Stärken der einzelnen Standorte berücksichtigt und erweitert, könnte allen Häfen helfen.“