Bundestagswahl

Her mit dem Klimawahlkampf

Der Klimawahlkampf kommt trotz Sommerflut nicht in Gang. Dabei wäre das Momentum auf Seiten der Klimaschützer. Und die Jungen warten nur darauf.

Her mit dem Klimawahlkampf

Es ist Bundestagswahlkampf. Knapp acht Wochen sind es noch bis zur Wahl. Eine ganze Generation junger Wähler hat in diesem Jahr erstmals die Chance, einen neuen Bundeskanzler zu wählen. Es ist die Generation, die mit der Gewissheit groß geworden ist, dass Angela Merkel (CDU) Bundeskanzlerin ist. Nachdem Merkel zuletzt mit dem Wahlspruch „Sie kennen mich“ ihren Amtsbonus voll auskostete, werden die Karten in diesem Jahr neu gemischt. Wählen wird auch die Generation, die seit 2005 volljährig geworden ist. Viele sind bereit, sich für mehr Klimaschutz zu engagieren. In Umfragen geben sie an, dass der Umwelt- und Klimaschutz für sie das wichtigste Thema ist. Noch vor Bildung und sozialer Ungleichheit.

Aber wo bleibt der Klimawahlkampf? In diesem Punkt sind die Parteien eins: Die Chance, den Bundestagswahlkampf 2021 zu einem Klimawahlkampf zu machen, haben sie alle verschlafen. Und das in einem Jahr, in dem das Momentum deutlicher auf ihrer Seite gewesen wäre als je zuvor.

Bislang glänzten die Kandidaten eher darin, ihre Kontrahenten öffentlich zu diskreditieren. Wochenlang stürzten sich Medien wie Politikvertreter mit Genuss auf die grüne Kanzlerkandidatin. Nachdem es zunächst hieß, Annalena Baerbock sei mit ihren 40 Jahren zu jung und habe zu wenig politische Erfahrung – was angesichts von acht Jahren als Abgeordnete und drei Jahren als Parteivorsitzende durchaus ein fragwürdiger Kritikpunkt ist –, folgte ein Plagiatsvorwurf. Inzwischen wurde sie abgelöst durch CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, der sich jüngst öffentlich entschuldigte, in seinem Buch ebenfalls eine Quelle nicht ausreichend gekennzeichnet zu haben. Dass SPD-Kandidat Olaf Scholz noch nicht ins Kreuzfeuer dieser streitbaren Nebenkriegsschauplätze geriet, hat er wohl unter anderem seiner gewohnt nordisch-zurückhaltenden Art zu verdanken.

Der Ausgang der Wahl ist spannend wie lange nicht. Die Umfragewerte aller Parteien schwanken je nach Institut. Eine große Koalition aus SPD und CDU soll es nicht mehr geben – das hat der bisherige Juniorpartner SPD bekräftigt. Auch aus Sicht der Wähler scheint es die am wenigsten attraktive Option. Die Grünen haben mit der Ernennung Baerbocks zur Kandidatin erstmals offiziell Anspruch auf den Kanzlerposten angemeldet. Die Koalitionsbildung im Anschluss an die Wahl im September dürfte sich interessant gestalten.

Ein Blick in die Wahlprogramme zeigt: Alle größeren Parteien mit Ausnahme der AfD definieren die Klimaneutralität als Ziel. Die Zeithorizonte und der Weg dorthin unterscheiden sich allerdings. SPD und CDU wollen Deutschland bis 2045 klimaneutral machen, Linke und Grüne schon bis 2035. Die FDP strebt die Klimaneutralität erst bis 2050 an. FDP und CDU rücken die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Industriestandorts Deutschland in den Mittelpunkt. Grüne und Linke betonen den sozialen Aspekt. Die SPD steht irgendwo dazwischen.

Zugegeben, es wird einer dieser Wahlkämpfe sein, die am Ende von der Realität eingeholt wurden. Die historische Sommerflut, die Wissenschaftler auf die Auswirkungen des Klimawandels zurückführen, spülte den Klimaschutz zurück auf die Agenda. Die Grünen haben ein neues Klimaschutz-Sofortprogramm für die nächste Legislaturperiode vorgestellt, sollten sie an der Regierung beteiligt sein. Mit dem Plan eines Klimaministeriums, das Gesetzesvorhaben per Veto verhindern kann, sind sie vielleicht übers Ziel hinausgeschossen. Zumindest aber hat die Partei einen neuen Aufschlag gewagt. Natürlich folgt die Kritik auf dem Fuß. CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer drückte dem Plan gleich den Stempel „Vetoministerium“ auf und schlug damit in die Kerbe, die Grünen-Gegner gerne nutzen, um die Partei als Verbotsapostel zu diffamieren. Einen wirklichen besseren Vorschlag hat er aber auch nicht.

Zumal Klimaschutz nicht umsonst zu haben ist. Dass die Parteien die Frage nach der Finanzierung ihrer Klimaprogramme bislang weitgehend ignorieren, grenzt an Greenwashing. Denn: Schön und gut, dass Deutschland grüner werden soll. Aber wie? Es scheint, als seien die Parteien vom drängendsten Thema unserer Zeit, dem Klimawandel, schlicht überrollt worden. Daran ändert auch wenig, dass die Kandidaten in die Flutgebiete reisten und schnelle Hilfe zusicherten. Statt im Nachhinein zu reagieren, braucht es endlich ein Programm, wie die Erderwärmung aufgehalten werden kann. Dieses Momentum im Bundestagswahlkampf konnte bislang keiner für sich nutzen.

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