Revolution der Finanzbranche

Jung, App, ETF

Junge Anleger entdecken den Aktienmarkt. Dabei kaufen sie bevorzugt ETF-Sparpläne via App. Für die Finanzindustrie ist das eine Revolution.

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Angenommen, Sie sind jung, mit Handy und digitalen Formaten bestens vertraut, arbeiten seit wenigen Jahren und wollen für die Wünsche und Bedürfnisse des Lebens wie Auto, Fernreise, Immobilien oder bereits fürs Alter ansparen. Was würden Sie tun? Würden Sie zu Ihrer Hausbank gehen, wenn Sie denn überhaupt noch eine haben, und innerhalb der festgelegten Öffnungszeiten mit dem Berater ihres Vertrauens einen Termin vereinbaren, mit ihm ein längeres Gespräch führen, und, Mifid II sei Dank, etlichen Papierkram ausfüllen, den sie dann daheim lochen und in einem Ordner abheften? Genau, wenn Sie jung und digital sind, würden Sie das auf keinen Fall tun.

Junge Anleger sind nicht dumm. Sie legen immer mehr Gelder in lukrativen Aktieninvestments an und verzichten zunehmend auf von der aktuellen Zinssituation getroffene Produkte wie etwa Riesterverträge. So ist zum Beispiel nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts (DAI) die Zahl der mit Aktien direkt oder indirekt über Fonds Sparenden hierzulande in der Altersgruppe von 14 bis 29 Jahren von 2019 auf 2020 um satte 67% auf 1,4 Mill. geklettert. Positiv zu bewerten ist, dass sich für die Jugend der Zugang zum Kapitalmarkt zuletzt merklich vereinfacht hat. Denn über Finanzapps können Aktien und Fonds inklusive ETFs einfach und kostengünstig erworben werden. Dass, wie es Christine Bortenlänger vom DAI treffend formuliert, die Aktienanlage „über das Smartphone die Hosentasche erreicht“ hat, ist eine Revolution, sowohl für Banken als auch für die Fondsindustrie. Opa und Oma stauen jedenfalls, wie einfach Geldanlage und der Zugang zu derselben mitunter sein kann.

Aber es gibt noch mindestens zwei weitere Revolutionen, welche die Finanzindustrie umwälzen. Die eine wurde schon genannt. Anleger und insbesondere junge Leute setzen verstärkt auf die langfristig lukrative Aktienanlage. Vor allem aufgrund der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) gelten in früheren Zeiten etablierte risikoarme Produkte heute bei Teilen der jungen Generation nicht mehr als ganz so attraktiv, was insbesondere mit der Zinssituation zu tun hat; dies könnte sich wieder ändern, wenn die EZB die Geldpolitik wieder strafft. Hinzu kommt, dass via Web zahlreiche Informationsmöglichkeiten für Neuanleger zur Verfügung stehen. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass nicht alles seriös ist, was im Web veröffentlicht wird. Es werden leider auch manche Anlagen oder einzelne Aktien von bestimmten Adressen regelrecht gepusht.

Die Jugend, die über Apps oder auch Onlinebroker, einen kostengünstigen Zugang zum Kapitalmarkt erhält, kauft zwar auch einzelne Aktien oder auch einmal eine stark schwankende Kryptowährung. Doch sind zahlreiche junge Menschen durchaus gut informiert und sehen das eher als Sport und Spiel an. Manche erleiden aber auch Schiffbruch und zahlen Lehrgeld. Für ernsthafte, langfristige Kapitalanlage wählen viele junge Leute aber bevorzugt Aktien-ETFs und diese vor allem als Spar­plan und gerne auch als ESG-Variante. Denn mit einer breit gestreuten, ratierlichen Aktienanlage über die kostengünstigen und transparenten „Aldi“-Fonds kann frau oder man wenig falsch machen. Der stetige Ansparprozess nimmt das bei Dividendentiteln hohe Risiko eines falschen Einstiegszeitpunkts, und es winken die langfristig hohen Wertzuwächse von Aktieninvestments.

Das ist ein Hintergrund, warum ETFs in Europa und Deutschland geradezu boomen. Nach Angaben von Lyxor lagen die Zuflüsse in die börsennotierten Indexfonds von Januar bis April mit 66 Mrd. Euro auf Rekordniveau. Inzwischen sind in Europa in ETFs bereits Assets über 1,2 Bill. Euro angelegt. Und nach Angaben von Extra-ETF hat sich die Zahl der ETF-Sparpläne in Deutschland binnen Jahresfrist um mehr als 50% auf rund 2,5 Mill. erhöht. Tendenz weiter steigend. Für das Jahr 2025 prognostizieren Extra-ETF und BlackRock 9 Mill. ETF-Sparpläne hierzulande.

Für etablierte Banken und Assetmanager ist diese dreifache Revolution eine gewaltige Herausforderung. Sie müssen zum einen digitaler werden, und sie sollten auch via App auf dem Handy präsent sein. Es gilt auch die Beratung möglichst digital und einfach zu gestalten – und speziell auch Beratungskompetenz auf der Aktienseite aufzubauen. Dass immer mehr etablierte traditionelle Assetmanager jetzt auch ETFs anbieten, zeigt die Revolution in der Fondsindustrie auf. Denn der Absatz von ETFs per App wird massiv zulegen.