Neue Bundesregierung

Klimaschutz „Made in Germany“ – aber richtig

Deutschland wäre in Sachen Klimaschutz gern ein internationaler Vorreiter. Doch bisher schrecken die mauen Erfolge andere Staaten eher ab. Die neuen Koalitionäre haben nun die Gelegenheit, wirklich etwas zu ändern.

Klimaschutz „Made in Germany“ – aber richtig

Die Zeit drängt. Spätestens Ende November soll der Koalitionsvertrag stehen, der Deutschland auf den Weg zur Klimaneutralität führen soll. Für unser reiches und innovationsstarkes Land strebt die Ampel eine Vorreiterrolle an. Das ist gut so. In der Diskussion spielt allerdings der Beitrag, den wir tatsächlich zum Schutz des Weltklimas leisten können, bisher nur eine Nebenrolle.

Deutschland und Europa gehörten einst zu den größten Klimasündern. Aber mittlerweile belasten China, Indien und Brasilien zusammen die Atmosphäre fast fünfmal mehr als die EU. Deutschland selbst trägt nur 1,7% zum globalen Ausstoß von Klimagasen bei.

Klimaschutz vor Ort

Klima kennt keine Grenzen. Viel wichtiger für das Klima in der Welt – und damit auch bei uns – ist es, dass vor allem die besonders schmutzigen Schwellenländer sauberer werden. Einen kleinen Beitrag können wir dazu leisten, indem wir in Einzelfällen den Klimaschutz vor Ort subventionieren, beispielsweise durch Projekte zum Schutz des Regenwaldes oder Fördergelder für saubere Kraftwerke.

Zudem sollte die EU ihren Einfluss einsetzen, um andere Länder dazu zu bewegen, ihre Emissionen durch eine Herausgabe von Verschmutzungsrechten zu begrenzen und einen grenzüberschreitenden Handel zuzulassen. Dann könnten wir durch den Erwerb solcher Rechte dort den Ausstoß schädlicher Gase begrenzen.

Deutschland als Vorreiter

Aber noch wichtiger ist, dass der Möchtegern-Vorreiter Deutschland als Vorbild taugt. Nur wenn wir der Welt vorführen, dass der klimafreundliche Wandel bei uns mit wachsendem Wohlstand einhergeht, werden ärmere Länder uns nacheifern wollen. Wenn wir dagegen unsere Wirtschaft übermäßig belasten und neben Wohlstandseinbußen obendrein schärfere soziale und politische Spannungen heraufbeschwören, würde unser Ehrgeiz anderen Ländern eher als abschreckendes Beispiel dienen.

Unsere teils verkorkste Energiewende sollte uns dabei eine Mahnung sein. Die Förderung der erneuerbaren Energien hat zwar einige beeindruckende Ergebnisse erzielt. Aber die Strompreise für Haushalte liegen in Deutschland etwa 40% über dem EU-Durchschnitt. Deshalb gilt die deutsche Energiewende international nicht als Vorbild, sondern eher als das Gegenteil.

Kurz vor der Wahl hat die Merkel-Koalition die nationalen Vorgaben noch einmal verschärft. Statt gemäß dem EU-Ziel bis 2030 mindestens 55% der Emissionen gegenüber 1990 einzusparen, hat Deutschland jetzt die Reduktion der Treibhausgase um 65% ins nationale Gesetzbuch geschrieben. Das ist löblich. Aber ein „Koste es, was es wolle“, um das nationale Ziel zu erreichen, könnte dem Weltklima und uns sogar schaden. Ob wir 65% oder vielleicht nur 62% schaffen, wird die Klimapolitik der großen Verschmutzerländer weniger prägen als die Frage, ob sie Deutschland als Erfolgsbeispiel wahrnehmen.

Als Erstes sollten sich die künftigen Koalitionäre von der im Wahlkampf genährten Illusion verabschieden, Klimaschutz sei kostenlos. Die Atmosphäre nicht mehr als nahezu kostenfreie Müllhalde für schädliche Gase zu missbrauchen, schränkt den gesamtwirtschaftlichen Verteilungsspielraum ähnlich ein wie ein Anstieg der Preise für importierte Rohstoffe.

Richtig ist dagegen, dass wir durch eine sachgerechte Wahl der Mittel die direkten Kosten des Klimaschutzes eingrenzen können. Zudem können wir uns mit klug gesetzten Anreizen für Forschung und Investitionen einen technologischen Vorsprung erarbeiten, mit dem wir auf Dauer unsere Export- und Wirtschaftskraft stärken könnten. Und natürlich würden wir durch weniger Abgase unsere Atemluft und damit unsere Gesundheit verbessern.

Fünf Grundsätze

Daraus lassen sich fünf Grundsätze ableiten: Erstens: Je mehr die neuen Koalitionäre sich darauf verständigen, den Schadstoffausstoß mit geringstmöglichen Kosten zu reduzieren, desto leichter können sie auch ambitionierte Ziele anstreben. Deshalb müssen wir vor allem breit eingesetzte marktwirtschaftliche Instrumente nutzen und reine Verbote möglichst vermeiden.

Zweitens: Der europäische Emissionshandel hat sich bewährt. Ihn auf EU- und nationaler Ebene auf immer weitere Bereiche auszudehnen, sollte eine Priorität sein. Dies ist wichtiger als der genaue Preis und die Menge der Zertifikate. Denn eine sektorübergreifende Lösung ermöglicht, dass dort eingespart wird, wo es relativ günstig ist. Je mehr Länder einbezogen werden können, möglichst auch jenseits der EU, desto besser.

Drittens müssen höhere Preise für den Schadstoffausstoß einhergehen mit einem möglichst mit den USA und anderen Industriestaaten abgestimmtem Grenzausgleich für dreckig hergestellte Einfuhren, um ein bloßes Verlagern der Emissionen ins Ausland zu unterbinden. Das gäbe anderen Ländern zudem einen Anreiz, sauberer zu produzieren.

Viertens lassen sich auch Subventionen für den Übergang zu sauberen Technologien einsetzen. Aber Subventionen führen oft ein Eigenleben. Anders als breit aufgestellte Preise für den Schadstoffausstoß sollten Subventionen deshalb zielgenau eingesetzt werden mit einem vorab gesetzlich festgelegten Fahrplan zu ihrem Abbau.

Fünftens müssen die Regeln ebenso wie die Förderung der Forschung technologieoffen bleiben. Zum Glück hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass wir für die Klima- und Mobilitätswende mehr Strom brauchen als zuvor, der zudem schadstoffarm produziert werden und dort verfügbar sein muss, wo er gebraucht wird. Mit der Absicht, die Zeit für Planungs- und Genehmigungsverfahren für Investitionen mindestens zu halbieren, haben die Sondierer der Ampel bereits ein wichtiges Signal gesandt. Wenn SPD und Grüne dies tatsächlich gegenüber ihrer eigenen Basis durchsetzen, wäre das vorbildlich.

Der Autor ist Chefvolkswirt bei Berenberg.