Barclays

Last Man Standing

Der neue Barclays-Chef C.S. Venkatakrishnan hat keinen leichten Stand. Die Bank erwirtschaftete 2021 ein Rekordergebnis. Doch nun bläst ein anderer Wind.

Last Man Standing

Barclays ist als einzige europäische Investmentbank übrig geblieben, die mit den großen US-Instituten mithalten kann. Derzeit befindet sich die Bank auf Platz 6 der globalen Rangliste. Der neue Chef C.S. Venkatakrishnan konnte für das abgelaufene Geschäftsjahr ein Rekordergebnis vermelden. Doch wie kam es dazu? Die Rivalen vom Kontinent haben sich entweder ganz oder größtenteils aus dem unliebsamen Geschäft verabschiedet. Wäre es nach Antony Jenkins gegangen, dem 2012 die Führung des britischen Instituts übertragen wurde, hätte auch Barclays in den von Skandalen geprägten Jahren nach der Finanzkrise die Reißleine gezogen.

Der ehemalige Chef des Privat- und Firmenkundengeschäfts, der an die Stelle von Bob Diamond trat, sollte den Kulturwandel der Bank verkörpern und tat das so überzeugend, dass er in der City als „Saint Antony“ verspottet wurde. Jenkins hatte nicht viel für Geschäfte wie den kapitalintensiven Handel mit Anleihen, Devisen und Rohstoffen (FICC) übrig, hatte aber auch nicht den nötigen Biss, um den Ausstieg zu erzwingen. Hohe Geldstrafen aus der Zeit vor seinem Amtsantritt sorgten dafür, dass sich Erfolge beim Konzernumbau nicht in den Ergebnissen widerspiegelten. Die interne Bürokratie belastete Wachstum und Rendite.

Ein neuer Chairman, der als radikaler Kostensenker bekannte John McFarlane, setzte Jenkins 2015 ab und kehrte mit eisernem Besen. Der Schotte, der bereits den Versicherer Aviva wieder auf Gewinnkurs gebracht hatte, machte zudem klar, dass das Investment Banking auch weiterhin eine wesentliche Rolle spielen sollte. Dabei kam ihm zugute, dass Jenkins die Bilanz geschrumpft und die Sünden der Vergangenheit aufgearbeitet hatte. McFarlane holte den Hedgefondsmanager Jes Staley, der schon als Nachfolger für Diamond gehandelt worden war und auf eine drei Jahrzehnte währende Karriere bei J.P. Morgan zurückblicken konnte. Staley setzte auf die Achse London–New York und stellte die Bank als Transatlantikbank neu auf. Ihm kam dabei zugute, dass Barclays das Investment Banking und Kapitalmarktgeschäft von Lehman Brothers nach dem Zusammenbruch des Instituts günstig erworben hatte.

Die Mischung aus britischem Retail- und Firmenkundengeschäft, einer Kreditkartensparte und Wall Street hat sich in den Jahren der Pandemie bewährt. Barclays ist dadurch weit weniger abhängig von traditionellen Zins­erträgen als die heimischen Wettbewerber. Staley stärkte das Investment Banking und warb von J.P. Morgan eine Reihe von Führungskräften ab, darunter auch den amtierenden CEO. Seine Strategie war alles andere als unumstritten. Der Shareholder-Aktivist Edward Bramson, der lieber Jenkins’ Pläne für die Bank umgesetzt hätte, lief Sturm dagegen. Immer wieder ge­riet er mit den Aufsichtsbehörden aneinander, etwa als er die Sicherheitsabteilung der Bank auf die Suche nach einem Whistleblower schickte. Im Oktober vergangenen Jahres kam er durch ein Nachbeben des Skandals um den verstorbenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein zu Fall. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass ihm ein öffentlicher Dank seines Nach­folgers versagt blieb, der den Glanz des weitgehend unter Staleys Führung erwirtschafteten Rekordergebnisses einheimste. Venkatakrishnan wollte sich auch nicht dazu äußern, dass der Vergütungsausschuss noch ausstehende langfristige Bestandteile der Bezüge Staleys eingefroren hat. Nun wird sich zeigen, ob das Geschäftsmodell auch ohne Staley funktioniert.

Im vergangenen Jahr hatte Barclays vom Boom bei Börsengängen ebenso profitiert wie von der erhöhten Aktivität bei Übernahmen und Fusionen. Im Schlussquartal halfen Gebühreneinnahmen aus solchen Aktivitäten der hauseigenen Investmentbank über die vergleichsweise schwache Performance im Handel hinweg. Das wird sich im laufenden Quartal kaum wiederholen lassen. Der russische Angriff auf die Ukraine und der damit verbundene Kursrutsch an den Börsen hat dafür gesorgt, dass Initial Public Offerings und M&A-Trans­aktionen auf Eis gelegt wurden. Die Volatilität könnte zwar den Einnahmen im FICC-Geschäft zugutekommen, aber das ist nur ein schwacher Trost. Auf dem Heimatmarkt drückt die hohe Teuerungsrate auf die Stimmung der Ver­braucher. Auf dem britischen Hypothekenmarkt herrscht intensiver Preiswettbewerb. Zudem hat der Geschäftserfolg Begehrlichkeiten geweckt, nicht nur, was Boni betrifft, auch bei den regulären Gehältern. Wenn Venkatakrishnan das Ergebnis auf Vorjahreshöhe halten könnte, wäre das schon ein beachtlicher Erfolg.

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