Paris

Mit einem Bein in der Stadt, dem anderen auf dem Land

Die Pandemie hat in Frankreich bei Einwohnern des Großraums Paris den Trend verstärkt, ebenso viel Zeit in der Ferienimmobilie wie am Hauptwohnsitz in der Hauptstadt zu verbringen.

Mit einem Bein in der Stadt, dem anderen auf dem Land

Es ist ein Datum, das bei vielen Franzosen gemischte Gefühle hervorruft. Denn zum einen dürfen Restaurants ab dem 9. Juni auch wieder drinnen servieren, während der Beginn der nächtlichen Ausgangssperre von 21 auf 23 Uhr verschoben wird. Zum anderen wird dann auch die Vorgabe ge­lockert, dass alle Unternehmensmitarbeiter so weit möglich zu 100% vom Homeoffice aus arbeiten sollen.

Bei vielen Arbeitnehmer löst die Aussicht, wieder täglich ins Büro fahren zu müssen, jedoch nicht gerade Begeisterungsstürme aus. So erklärten 74% der von Opinionway befragten Angestellten, die die letzten Monate vom Homeof­fice aus gearbeitet haben, nicht mehr so wie vor der Pandemie ins Büro gehen zu wollen. Stattdessen hoffen sie, auch künftig zwei, drei Tage pro Woche von daheim aus arbeiten zu dürfen. In Frankreich wurden deshalb bereits 1620 entsprechende Abkommen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften getroffen. Einer der sehr unterschiedlichen Gründe dafür, dass so viele Franzosen Geschmack am Homeoffice gefunden haben, ist der lästige Weg zum Arbeitsplatz. Gerade im Großraum Paris beginnt der Tag für viele Arbeitnehmer stressig, wenn sie sich in über­füllte Metros oder Vorortbahnen quetschen oder Staus und lange Fahrzeiten in Kauf nehmen müssen.

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So manch ein Arbeitnehmer hat während der Pandemie Gefallen am Leben auf dem Lande oder in einer kleineren Stadt gefunden. Nach der Ankündigung der ersten, strengen Ausgangssperre vor einem Jahr sind rund eine Million Anwohner aus dem Großraum Paris geflohen. Während einige der Hauptstadt nun dauerhaft den Rücken kehren wollen, entscheiden sich andere für ein Hybridmodell mit einer Wohnung in Paris und einem Wochenenddomizil in einer ruhigeren Gegend, in dem sie ebenso viel Zeit verbringen. Wurden Ferienhäuser sonst ausschließlich an Wochenenden oder in den Ferien genutzt, wollen immer mehr Franzosen nun dank der Arbeit im Homeoffice drei bis vier Tage pro Woche dort bleiben und die restliche Zeit an ihrem Hauptwohnsitz verbringen. Die Pandemie hat diesen Trend gerade bei Bewohnern des Großraums Paris verstärkt.

Entsprechend ist das Interesse für Ferienimmobilien auf dem Lande und in kleineren Städten wieder gestiegen, nachdem der Markt dafür seit dem Jahr 2000 rück­läufig war. So ist die Zahl der Verkäufe von auf landwirtschaftlichen Flächen gelegenen Landhäusern 2020 nach Angaben der Société d’aménagement foncier et d’établissement rural, einer für den An- und Verkauf landwirtschaftlicher Grundstücke zuständigen Genossenschaft, um 6,6% auf 111930 gestiegen. Das neue Interesse für einen Zweitwohnsitz, von dem sich die Wohnung in der Hauptstadt gut erreichen lässt, spiegelt sich auch in den Preisen wider: In den relativ nah am Großraum Paris gelegenen Départements Somme, Yonne und der Côte d’Or haben sie zweistellig zugelegt. Statt in Paris Immobilienpreise von zuletzt durchschnittlich 10650 Euro pro Quadratmeter zu zahlen, mieten junge Paare dort inzwischen lieber, kaufen sich stattdessen ein größeres Haus auf dem Land und pendeln zwischen den zwei verschiedenen Welten. Die Tageszeitung „Le Monde“ bezeichnet diese Bürger, die ein Bein in der Stadt und ein Bein auf dem Lande haben, als „bi-résidentiels“, als „Doppel-Haushalte“.

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Die französische Bahn SNCF hat nun sogar perfekt auf sie zugeschnittene Jahreskarten aufgelegt. Das sogenannte Abonnement Télétravail soll nach den Sommerferien in Kraft treten und montags bis donnerstags für 250 Fahrten pro Jahr gelten. Auf der Strecke Paris–Marseille kostet es pro Monat 367 Euro, während das klassische Abo für dieselbe Route mit 450 Fahrten pro Jahr an allen Tagen der Woche 612 Euro kostet. Für Reisende, die dieselbe Strecke regelmäßig nutzen, könnte sich das neue Abonnement durchaus lohnen, da die SNCF jetzt auch eine Vereinfachung der Tarife vorgenommen hat, die die Fahrkarten jedoch für einige Reisende teurer machen dürfte.