Volkswagen

Passt das noch?

Einen Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess, der zwar scharf analysiert und die richtige Strategie verfolgt, aber nicht aufhört, durch Polarisierung einen ­Kon­zern wie Volkswagen zu lähmen, können sich die Eigentümer nicht leisten.

Passt das noch?

Im Frühjahr hatte Volkswagen ein Momentum an der Börse. Vom Tief Mitte Januar, das mit knapp 145 Euro noch rund 11% unter dem letzten Kurs vor Bekanntwerden des Dieselabgasskandals im September 2015 lag, legten die Vorzüge des Fahrzeugbauers bis zum 6. April um mehr als zwei Drittel auf fast 247 Euro zu. Die Wolfsburger fanden Anklang am Aktienmarkt mit ihren Plänen für den beschleunigten Ausbau der Elektromobilität. Die Schweizer Großbank UBS etwa erläuterte, weshalb VW das Potenzial haben könnte, zum Samsung der E-Auto-Welt zu werden, und setzte das Kursziel um 100 auf 300 Euro herauf. Von solchen Sphären hat sich die inzwischen unter 180 Euro notierende Aktie wieder entfernt, Ernüchterung macht sich breit. Analysten kappen Bewertungen und ändern Kauf- in Verkaufsempfehlungen.

Die Kluft des größten Autoherstellers Europas zum US-amerikanischen Elektroautobauer Tesla, der am Aktienmarkt wie ein Technologieunternehmen bewertet wird, weitet sich an der Börse aus. Zweifel haben sich zuletzt nicht verringert, inwieweit sich die Erfolge als Platzhirsch im wichtigsten Markt China aus der Verbrenner-Ära ins Zeitalter der Elektromobilität transferieren oder inwiefern sich hochgesteckte Erwartungen beim Umbau zum softwareorientierten Mobilitätsanbieter erfüllen lassen werden.

Die aktuelle Kursentwicklung muss sich vor allem einer ankreiden lassen, der sich nach seinem Wechsel zu Volkswagen Mitte 2015 daranmachte, die Marktkapitalisierung zu steigern, der sich aber seitdem keine große Mühe gab, die Eigenheiten des von Mitbestimmung stark geprägten Unternehmens zu akzeptieren. Verlassen konnte sich Herbert Diess als Vorstandschef in regelmäßig eskalierenden Konflikten mit der Arbeitnehmerseite auf die Rückendeckung der mehrheitlich an VW beteiligten Eigentümerfamilien Porsche und Piëch, auch weil sich für diese kein Nachfolger aus den Reihen des Konzerns aufdrängte. Auch für das Land Niedersachsen, das sich als zweitgrößter Aktionär hinter den 63-Jährigen gestellt hat, überwog bislang die Sorge vor einer Führungskrise und ihren Folgen.

Doch einen Vorstandsvorsitzenden, der zwar scharf analysiert und die richtige Strategie verfolgt, aber nicht aufhört, durch Polarisierung einen ­Kon­zern wie Volkswagen zu lähmen und Antworten auf Fragen des Kapitalmarkts zu verzögern, können sich die Eigentümer nicht leisten. Die Frage, ob ­Volkswagen und Diess zusammenpassen, muss jetzt geklärt werden.

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