KommentarLokführer

Politik muss Grenzen des Streikrechts formulieren

Die Lokführergewerkschaft läuft Gefahr, ihr Streikrecht zu verwirken, wenn sie Tarifverhandlungen mit der Bahn trotz eines neuen Angebots weiter boykottiert. Der Gesetzgeber muss jetzt handeln und dem Streikrecht Gemeinwohlgrenzen setzen.

Politik muss Grenzen des Streikrechts formulieren

Lokführer

Grenzen des Streikrechts

Von Stephan Lorz

Die GDL setzt das Streikrecht aufs Spiel, weil sie Verhandlungen boykottiert. Berlin muss handeln.

Es spricht Bände, wenn die Lokführergewerkschaft GDL nach einem neuen Angebot der Deutschen Bahn gleich zum nächsten Streik aufruft, ohne auch nur eine Minute mit dem Kontrahenten verhandeln zu wollen. Dabei ist der Vorstand der Bahn mit seinem neuen Angebot vom Freitag durchaus auf die GDL-Forderungen zugegangen. Streiks sind zwar ein natürliches Recht in einem Arbeitskampf, aber es muss immer das „letzte Mittel“ sein. Das ist hier offenkundig nicht der Fall. Und das war es auch schon zu Beginn des Tarifkonflikts im November 2023 nicht, als die Gewerkschaft die Gespräche bereits nach der zweiten Verhandlungsrunde hatte platzen lassen.

Es ist klar: Hier will mit GDL-Chef Claus Weselsky einer mit dem Kopf durch die Wand, weil seine Organisation im Bahnbetrieb unter die Räder zu kommen droht angesichts der deutlich größeren und mächtigeren Gewerkschaftskonkurrenz EVG, die in viel mehr Betriebsteilen tonangebend ist. Aber die Lokführer sind dennoch in einer machtvollen Position. Und solange es keine fahrerlosen Züge auf vielen Strecken gibt, kann die GDL diese Position rücksichtslos ausspielen.

Attacke gegen alle Bahnkunden

Deshalb gibt es Handlungsbedarf für die Politik. Wenn Verkehrsminister Volker Wissing sagt, er habe „null Verständnis“, reicht das nicht, zumal er auch Eigentümervertreter bei der Bahn ist. Zudem besteht Handlungsbedarf auch auf Seiten der Justiz. Diese hatte Gemeinwohlüberlegungen zuletzt immer hintangestellt, wie die jüngsten Urteile zugunsten der GDL gezeigt haben. Dabei hat die GDL mit dem Verhandlungsboykott letztlich ihr Streikrecht verwirkt.

Ferner geht es hier nicht nur um einen Streik gegen ein Unternehmen, das – weil in Bundesbesitz – natürlich einen langen Atem hat, sondern um eine Attacke gegen alle Bahnkunden: Fahrgäste und Fracht. Der Streik hat zudem enorme Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben insgesamt, mehr als Streiks gegen einzelne Metall- oder Chemiebetriebe. Hier wird deutschlandweit eine ganze Infrastruktur stillgelegt! Dem muss die Politik gesetzlich einen Riegel vorschieben. Auswirkungen für den Gesamtstaat müssen im Arbeitskampf künftig mehr Berücksichtigung finden. Warum auch gleich alle Züge bestreiken? Schmerzlich genug wäre es schon, wenn nur jede zweite Lok fahren würde und ein solcher „Fahrplan“ verbindlich abgestimmt würde.

Auch die anderen Gewerkschaften sollten ihre Stimme erheben, weil hier eine Mikrogewerkschaft das Streikrecht schonungslos für Sonderinteressen missbraucht und das Gemeinwohl mit Füßen tritt. Das schadet dem Ruf der Gewerkschaften insgesamt.

Nachrichtlicher Artikel hierzu