KommentarTürkei

Problematische Prognose der Zentralbank

Die türkische Zentralbank erwartet ein baldiges Ende der Zinserhöhungen. Die Gefahr, dass sie die Prognose wieder einkassieren muss, ist groß.

Problematische Prognose der Zentralbank

Problematische Prognose

Türkische Notenbank

Von Martin Pirkl

Hafize Gaye Erkan hatte es wahrlich nicht leicht in ihren ersten sieben Monaten als Chefin der türkischen Zentralbank. Die Inflation lag zu ihrem Amtsantritt mit rund 40% meilenweit vom Teuerungsziel von 5% entfernt. Die lockere Geldpolitik der Zentralbank unter ihrem Vorgänger und diverse Wahlgeschenke, die die Regierungspartei AKP im Frühjahr verteilte, um Stimmen für die Wiederwahl Recep Tayyip Erdogans zum Staatspräsidenten zu gewinnen, verstärkten den Inflationsdruck zusätzlich.

Daher war es richtig, dass die Notenbank unter Erkan einen radikalen Kurswechsel eingeschlagen hat. Mit der Dezember-Zinserhöhung ist der Leitzins nun innerhalb von gerade einmal sieben Monaten von 8,5% auf 42,5% gestiegen. Zeitweise befürchtete Probleme mit der türkischen Finanzstabilität angesichts der steigenden Staatsverschuldung durch die Wahlgeschenke sind nicht eingetreten.

Lob für türkische Geldpolitik

Im Gegenteil: Erkans entschlossener Kurs mit Zinserhöhungen von teilweise 750 Basispunkten auf einmal kam bei Investoren wie Ökonomen gut an. Eine Reihe von Bank-Analysten stuft die Türkei als ein Land ein, dessen Anleihen aufgrund der Trendwende in der Geldpolitik 2024 mit die höchsten Wertentwicklungen der Welt hinlegen werden.

Bei der Inflation lässt die Trendwende hingegen noch auf sich warten. In den kommenden Monaten zieht sie nach Prognose der Notenbank noch auf 70% an, ehe sie bis zum Jahresende 2024 bei 36% liegt. Dass die Zentralbank angesichts der verzögerten Wirkung der Geldpolitik und des einsetzenden disinflationären Prozesses jetzt das Tempo bei den Zinserhöhungen drosselt, ist verständlich. Auch 250 Basispunkte sind ein kräftiger Schluck aus der Pulle.

Regierung verstärkt Inflationsdruck

Dass die Notenbank allerdings bereits im November andeutete, dass demnächst Schluss sein dürfte mit Zinserhöhungen, ist unverständlich und problematisch. Das Risiko, dass sie diese Prognose nicht einhalten kann, ist hoch. Wie schon 2023 dürfte die türkische Regierung auch im kommenden Jahr mit einer ausgabefreudigen Politik die Bemühungen der Zentralbank konterkarieren. Ein kräftiger Anstieg der Mindestlöhne 2024 – zufälligerweise erneut ein wichtiges Wahljahr – wird den Inflationsdruck hochhalten.

Ob damit das Zinsplateau bereits kurz bevorsteht, ist fraglich. Das dämmert auch der Notenbank, die nun nicht mehr das „Ziel“ hat, den Zinszyklus bald zu beenden, sondern nur noch davon „ausgeht“. Ohne Not hat die Zentralbank eine Prognose abgegeben, die sie womöglich nicht einhält.

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