Brexitfolgen

Schottland fehlt zur Unabhängigkeit eine eigene Währung

Die schottischen Regionalwahlen werden den Unabhängigkeitsbefürwortern eine solide Mehrheit in Holyrood verschaffen. Gut möglich, dass es den Nationalisten unter Nicola Sturgeon erneut nicht zur absoluten Mehrheit reicht, doch haben sich die...

Schottland fehlt zur Unabhängigkeit eine eigene Währung

Die schottischen Regionalwahlen werden den Unabhängigkeitsbefürwortern eine solide Mehrheit in Holyrood verschaffen. Gut möglich, dass es den Nationalisten unter Nicola Sturgeon erneut nicht zur absoluten Mehrheit reicht, doch haben sich die schottischen Grünen bereits als Mehrheitsbeschaffer angeboten. Die Forderung nach einer erneuten Volksabstimmung über den Verbleib im Vereinigten Königreich dürfte so oder so lauter werden. Mit der nationalen Unabhängigkeit ist die Frage nach der künftigen Währung verbunden, die bislang von der Scottish National Party (SNP) nur ausweichend beantwortet wird. In Nordirland gäbe es im Falle eines Votums für den Anschluss an die Republik im Süden vergleichsweise wenig Probleme. Der Euro träte an die Stelle des Pfunds. Schottland hat diese Option nicht. Der defizitäre Ölstaat müsste erst einmal Mitglied der Staatengemeinschaft werden und die wirtschaftlichen Konvergenzkriterien für einen Beitritt zum Euroraum erfüllen.

Während sich die schottischen Grünen dafür aussprechen, dass eine eigene Währung unmittelbar nach einem Votum für den nationalen Alleingang eingeführt werden sollte, nennt die SNP lieber keinen genauen Zeitplan. Vor dem Referendum 2014 hatte sie in ihrem Weißbuch „Scotland’s Future“ noch auf eine Währungsunion mit Restbritannien gesetzt. Diese Idee wurde allerdings von der britischen Regierung und der Bank of England rundheraus abgelehnt. Es dauerte fünf Jahre, bis die damit beauftragte Sustainable Growth Commission ein Update des Weißbuchs vorlegte. Darin schlägt sie vor, auch ohne Währungsunion erst einmal Sterling weiterzuverwenden. Das erinnert an die Rolle der Deutschen Mark in Bosnien und Herzegowina und ist unter dem Namen Dollarisierung bekannt. Auch wenn die Kommission behauptet, man könne nicht von „Sterlingisierung“ sprechen, weil Schottland das Pfund ja schon verwende, ändert das nichts an den Auswirkungen. Schottland könnte die Bank of England nicht als „Lender of Last Resort“ in Anspruch nehmen und hätte keine Mitsprache bei der Geldpolitik. Großbanken wie Lloyds Banking Group und Natwest wären gezwungen, ihren Sitz aus Edinburgh nach London zu verlegen.

Eine eigene Währung will die Kommission erst einführen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: eine nachhaltige Haushaltspolitik, eine glaubwürdige Zentralbank und Stabilität bei der Emission von Anleihen sowie ausreichend Währungs- und finanzielle Reserven. Zudem müsse die neue Währung den Anforderungen der schottischen Bürger und Unternehmen entsprechen und zu ihren Handels- und Investitionsverhaltensmustern passen. Auch die Korrelation der schottischen Konjunktur mit den Zyklen in Großbritannien und anderen wichtigen Handelspartnern müsse man im Auge behalten. Alles in allem machte das den Eindruck, als wollte die SNP auch nach einem Unabhängigkeitsvotum noch über viele Jahre am Pfund festhalten.

Natürlich gibt es dafür einen Grund: Es ist zwar möglich, die Stabilitätskriterien wie eine nachhaltige Haushaltspolitik zu erfüllen, doch wäre das mit großen Schmerzen verbunden. Um den restlichen Anforderungen der Kommission zu entsprechen, müsste sich die schottische Wirtschaft von der britischen abkoppeln. Das ist reichlich unwahrscheinlich, solange Restbritannien der größte Handelspartner ist und Edinburgh das Pfund weiter als Zahlungsmittel verwendet, heißt es in einer Analyse der Denkfabrik These Islands. Am Ende werde einem unabhängigen Schottland nichts weiter übrig bleiben, als eine eigene Währung einzuführen, egal was die Kommission empfiehlt. Denn sollte das Land einen ähnlichen Kurs wie die Steueroase Panama einschlagen, wo mit dem Dollar bezahlt wird, wäre ihm der Weg in die EU verbaut.

Kleine offene Volkswirtschaften können den Märkten meist kein unrealistisches Wechselkursregime auferlegen, schon gar nicht, wenn sie sowohl ein Haushalts- als auch ein Leistungsbilanzdefizit aufweisen. Eine 1:1-Anbindung an das Pfund, wie man sie mit ziemlicher Sicherheit verfolgen würde, um die Probleme bei der Umstellung zu minimieren, wäre nicht lange aufrechtzuerhalten. Nach Schätzung von David Owen, Europachefvolkswirt von Jefferies, könnte ein unabhängiges Schottland mit einem Haushaltsdefizit von 10% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und einem Leistungsbilanzdefizit von 5% des BIP konfrontiert sein.

Aber auch um eine frei konvertierbare eigene Währung zu stützen, wären Währungsreserven in erheblichem Umfang erforderlich. Der schottische Ökonom Ronald MacDonald von der Universität Glasgow führte Dänemark, Norwegen und Schweden, aber auch Hongkong als Beispiele an und schätzte die erforderlichen Mittel 2014 auf 40 Mrd. Pfund. Heute wären Owen zufolge 60 Mrd. Pfund oder noch mehr nötig. Denn seitdem MacDonald seine Schätzung abgab, dürfte sich das Haushaltsdefizit mehr als verdoppelt haben. Solche Reserven lassen sich nicht ohne schmerzhafte Einschnitte anhäufen. Zudem müsste die Kapitalflucht in den Süden begrenzt werden. Denn die neue eigene Währung wäre weniger wert als das Pfund, das ist sicher. Die Zeche zahlen die Schotten. Während sich Einfuhren und ihre Hypotheken verteuern, weil sie der Bank immer noch Pfund schulden, sinken ihre Löhne und Renten.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.