Madrid

Schwitzende Spanier und fröstelnde Deutsche

Die spanische Regierung akzeptiert nun doch den EU-Notfallplan zur Reduzierung des Gasverbrauchs. Hinter ihren anfänglichen Vorbehalten stecken auch Revanchegelüste gegenüber Deutschland.

Schwitzende Spanier und fröstelnde Deutsche

Es ist den Menschen in Spanien derzeit schwer zu vermitteln, dass sie Energie sparen sollen, damit Europa im Winter nicht frieren muss. Bei Temperaturen über 40 Grad in weiten Teilen des Landes rattern die Klimaanlagen auf Hochtouren, trotz der astronomischen Stromtarife. Die Pläne der Europäischen Union, den Gasverbrauch mit Blick auf wahrscheinliche Versorgungsengpässe durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu drosseln, stoßen in Spanien auf wenig Begeisterung. Schließlich ist das Land, wie Nachbar Portugal, kaum von Putins Gas abhängig.

Am Ende erreichte Madrid in dem am Dienstag beschlossenen Notfallplan eine Ausnahmeregelung, zusammen mit anderen Ländern. Statt der allgemein angepeilten 15% Minderung des Gasverbrauchs kommt Spanien mit der Hälfte davon. Man habe am Ende aus Solidarität mitgemacht, um die Einheit der EU gegenüber dem Putin-Regime zu bewahren, hieß es aus der Regierung. Doch über die Solidarität der Südländer mit den stark vom Tropf Moskaus abhängigen Nordlichtern wie Deutschland hat es in den letzten Tagen auch in Madrid Debatten gegeben.

Auslöser war eine Aussage von Teresa Ribera, der Ministerin für Energie und Umweltschutz. „Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir Spanier nicht über unseren Möglichkeiten gelebt, was die Energie angeht“, erklärte Ribera, eine von drei Stellvertreterinnen von Ministerpräsident Pedro Sánchez. Die Formulierung war bewusst so gewählt. Denn zu Zeiten der Finanzkrise wurde den Iberern von ihren nördlichen Nachbarn vorgeworfen, über ihren Verhältnissen gelebt zu haben.

So klang in vielen Kommentaren in Spanien eine gewisse Schadenfreude durch und die Idee, dass die Deutschen ihre einseitige Ausrichtung auf das „rein privatwirtschaftliche Projekt“ der Gasleitungen nach Russland nun selbst ausbaden sollen. Bei der Finanzkrise halfen unter anderem die Milliarden aus Deutschland Spanien und anderen Südländern wieder auf die Beine. Doch die harten Einschnitte bei den Sozialausgaben und Löhnen hat man hier nicht vergessen.

Faktisch hat die Linksregierung in Madrid in einigen Punkten nicht Unrecht. Gaslieferungen aus Russland waren nie ein Problem, da sie maximal 10% des Verbrauchs decken und als Flüssiggas per Schiff importiert werden. Spanien korrigierte stattdessen seine große Abhängigkeit vom Gas aus Algerien, das bis vor einiger Zeit noch die Hälfte des Verbrauchs ausmachte. Trotz einer jahrzehntelangen Partnerschaft mit recht regelmäßigen Lieferungen durch Pipelines gelten die Algerier als instabiler Verbündeter. Voriges Jahr drehte Algier eine Leitung durch Marokko zu, als die lange Streitigkeit mit dem Nachbarn im Maghreb erneut hochkochte.

Das betraf auch Spanien. Madrid hat daher viel Geld in den Bau von Wiederaufbereitungsanlagen für Flüssigerdgas (LNG) investiert, von denen nun sechs in Betrieb sind und eine weitere bald hinzukommen könnte. Spanien hat ein Drittel der LNG-Kapazitäten Europas. Diese Investitionen wurden auf die Verbraucher umgelegt. Heute sind die USA der wichtigste Gaslieferant des Landes.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell unterstrich diese Anstrengung zur Diversifizierung, während „andere ganz auf Russland setzten“. Der Spanier besann sich aber seiner Rolle als hoher EU-Vertreter und unterstützte die Idee, dass Madrid seine Infrastruktur für die Gasversorgung Europas einsetzen solle. So plant der börsennotierte, aber staatlich kontrollierte Monopolist der Gasinfrastruktur Enagás den Bau von drei neuen Leitungen nach Portugal, Frankreich und Italien.

In der Debatte um die Solidarität wird auch das Argument angeführt, dass den Deutschen kaum damit geholfen ist, wenn die Spanier ihre Heizung – oder Klimaanlage – runterdrehen, da beide Länder energietechnisch kaum miteinander verbunden sind. Doch auch vielen Kommentatoren in Madrid geht es ums Prinzip, so wie dem Chefredakteur des einflussreichen, regierungskritischen Portals elconfidencial.com, Nacho Cardero. „Das ganze Leben lang verlangen wir von der EU Solidarität, mal für die Folgen von Covid, mal wegen der Finanzkrise, und jetzt, wo es um die Zukunft Europas geht und unsere Partner um ihre Energieversorgung fürchten, werden wir knauserig.“

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