Carbon Capture

Verbuddeln von CO2 wird zur Zukunfts­technologie

Technologien zur Speicherung von Kohlenstoff dürften laut Wissenschaftlern bei der Bekämpfung des Klimawandels durchaus eine Rolle spielen. Künftig könnte Carbon Capture auch zum Anlagethema werden.

Verbuddeln von CO2 wird zur Zukunfts­technologie

Von Wolf Brandes, Frankfurt

An den Themen Klimawandel und Emissionsreduktion kommt in der Finanzbranche niemand vorbei. Sei es als Anlagechance oder als Finanzierungsaufgabe. Wer sich zum Pariser Klimaziel von 1,5 Grad und den Netto-null-Initiativen bekennt, muss sich mit den Emissionsaktivitäten der Unternehmen auseinandersetzen. CO2-Reduktion liegt auf der Hand, während die Technologien zur Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung weniger im Fokus stehen. Es geht um Carbon Capture Utilization und Storage (CCU und CCS) mit dem Ziel, die bei der Produktion von Industriegütern anfallenden CO2-Mengen zu nutzen oder geologisch zu lagern. Eine Nutzung ist etwa in der Produktion von Düngemitteln und Kraftstoffen möglich.

Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass die CCU- und CCS-Kapazitäten um mehr als das Hundertfache steigen müssten, um das Pariser Abkommen zu erfüllen. Derzeit machten die Verfahren weniger als 1% der Investitionen in die Energiewende aus, aber die IEA geht von einem großen Anstieg aus.

Die Kohlenstoffabscheidung bietet für bestimmte Branchen große Chancen, Emissionsziele zu erreichen. „Innerhalb der Industrie ist CCS besonders wichtig für die Schwerindustrie, zum Beispiel Zement und Stahl, da CCS die einzige skalierbare, emissionsarme Option ist, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und die Emissionen aus der Produktion nahezu zu eliminieren“, sagt Natalia Luna, die als Analystin bei Columbia Threadneedle die Chancen von Investments und deren Bewertung anhand von ESG-Kriterien beurteilt.

Carbon-Utilization- und Storage-Technologien sind in unterschiedlichen Varianten schon seit Jahren im Einsatz beziehungsweise in der Erprobung. „Bei der stofflichen Nutzung von CO2 geht es um eine Wertschöpfung, das heißt, es sollen Produkte hergestellt und verkauft werden“, sagt Dennis Krämer, Wissenschaftler bei der Dechema, Gesellschaft für chemische Technik und Biotechnologie. Dies sei der essenzielle Unterschied zu CCS, bei der es letztlich darum gehe, CO2 bei einem Industrieprozess abzuscheiden und die Emissionen dauerhaft in unterirdischen Speichern zu lagern – man könnte es auch Verbuddeln nennen. Storage werde in der Gesamtstrategie zur Einhaltung der globalen Klimaziele vermutlich eine Rolle spielen, da große Lagerstätten vorhanden seien und sich somit eine einfache Lösung biete, bei der CO2 lange gebunden und dem Kreislauf entzogen werde, so Krämer.

Sehr hohe Kosten

Dennoch entsteht gelegentlich der Eindruck, die Verfahren steckten noch in den Kinderschuhen. Das liegt im Wesentlichen an den Kosten. „Gerade um Plattformchemikalien oder Treibstoffe mit Hilfe von CO2 herzustellen, wird viel erneuerbare Energie benötigt. Dieser Umstand treibt die Kosten der Technologien nach oben“, sagt Krämer. Somit würden sich die Verfahren noch nicht im großen Maßstab rechnen – zumal fossile Rohstoffe derzeit einfach zu günstig seien. Mit Hilfe eines steigenden CO2-Preises sowie niedrigeren Kosten für erneuerbare Energien dürfte der Break-even-Point aber irgendwann erreicht werden.

Die Firmen müssen sich langfristig mit steigenden CO2-Preisen auseinandersetzen. Allerdings sind Investitionen in Bezug auf CCU zum Teil nach abhängig von Subventionen für Forschung und Entwicklung. Für bestimmte Projekte sind die Kosten allerdings schon heute so niedrig, dass CCU durchaus Sinn ergibt. „Wenn man aber im Bereich Kohleenergie oder Stahlproduktion mit dieser Technologie arbeiten will, ist das bei Kosten von 60 bis 120 Euro pro Tonne im Vergleich zu den CO2-Preisen schwierig. In der Zementindustrie liegen die Kosten für CCU sogar bei 100 bis 200 Euro und solche CO2-Preise findet man derzeit kaum auf der Welt“, sagt DWS-Fondsmanager Tim Bachmann. Bei Investitionen in grüne Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke lägen die Kosten in ähnlicher Größenordnung. Die Technologie, CO2 aus der Atmosphäre zu entziehen, koste dagegen 200 bis 450 Euro pro Tonne. Verglichen mit einem CO2-Preis im Emissionshandel von derzeit 81 Euro pro Tonne müssen die Kosten durch Innovation, Effizienz und Skalierung noch massiv sinken.

Letzte Möglichkeit

Der Carbon-Capture-Ansatz ist aus ökonomischer Sicht bisher kein Investment. Ohnehin ist das Verfahren nicht unumstritten. „Wir sehen in Carbon Capture und Storage keinen Klimaretter“, sagt Angela Quiroga, ESG-Analystin bei Union Investment. Allerdings sei es gut, dass Unternehmen über die Auswirkungen ihrer Emissionen nachdächten. „Aber die Transformationspläne müssen glaubhaft und machbar sein. Ein Transformationsplan, der vollständig oder hauptsächlich auf CCS basiert, ist beides nicht.“ CCS-Technologien könnten nur eine letzte, zusätzliche Möglichkeit sein, verbliebene Emissionen zurückzufahren.

Andererseits werde es nicht nur für einzelne Branchen, sondern auch für viele Länder sehr „schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein, ihre Ziele zur Erreichung von CO2-Neutralität ohne CCS als Zwischenlösung zu erreichen “, so Scott Renze von American Century Investments. „Die Verbreitung von grünem Wasserstoff als Energiequelle wird viel Zeit und Investitionen in Anspruch nehmen, sodass die Kohlenstoffabscheidung für eine Vielzahl von Ländern und Branchen eine unmittelbarere Lösung darstellt.“

In Anbetracht der potenziellen Größe des CCU- und CCS-Marktes wird die Finanzbranche die Entwicklungen genau im Auge behalten müssen, um über Finanzierung und Investition sinnvoll zu entscheiden. „Wir sehen höhere Kohlenstoffpreise und unterstützende staatliche Maßnahmen und Steueranreize als wichtige Katalysatoren für dieses Thema, da Dekarbonisierungstechnologien zunehmend wirtschaftlicher werden“, so Columbia-Analystin Luna.

Es scheint sicher, dass Carbon Capture in Zukunft ein Anlagethema wird – spätestens wenn regenerative Energie ausreichend verfügbar ist. Auch in anderen Bereichen können Fortschritte und Regulierung zu einem Treiber werden, wie Tim Bachmann erläutert: „Was noch fehlt, ist eine breite Einführung von CO2-Handelssystemen. Bisher sind erst 25% der Welt abgedeckt und die CO2-Preise sind zum Teil sehr niedrig, wie in China mit 7 Dollar und Singapur mit 4 Dollar.“ Bis sich das ändert, dürfte es dauern.

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