LeitartikelImmobilien

Wohnungsvermieter im Abschreibungssog

Der kapitalintensiven Wohnungsbranche machen Wertverluste ihrer Assets zu schaffen. Sie kämpft vor allem mit den Rückwirkungen auf Verschuldungsgrad und Finanzierung.

Wohnungsvermieter im Abschreibungssog

Wohnungskonzerne

Im Abschreibungssog

Von Helmut Kipp

Der kapitalintensiven Wohnungsbranche machen die Wertverluste ihrer Assets zu schaffen. Vor allem die Auswirkungen auf Verschuldungsgrad und Finanzierung setzen ihr zu.

In der zweiten Märzwoche berichten gleich vier große börsennotierte Wohnimmobilienkonzerne aus Deutschland über ihr Geschäftsjahr 2023. Neben den operativen Kennzahlen wie Mieteinnahmen und Funds from Operations stehen vor allem die Wertentwicklung des Bestands und die Verschuldung im Fokus. Denn nach Jahren ultratiefer Zinsen sind die Kosten neuer Finanzierungen nach oben geschossen. Zugleich hat die Risikoaversion potenzieller Fremdkapitalgeber zugenommen. Je höher die Verschuldungsquote, desto schwieriger der Zugang zu Krediten. Der Anleihemarkt, eine zentrale Geldquelle für Immobilienkonzerne, war den allermeisten Unternehmen seit Herbst 2022 versperrt. Erst jüngst konnten einige Vermieter die Tür zum Bondmarkt wieder aufstoßen, darunter Marktführer Vonovia.

Boom-Bust-Zyklus

In den Jahren der Niedrigzinsen ermöglichten beständig steigende Bestandsbewertungen der Branche einen ungeahnten Boom. Denn die zentrale Kennzahl für Fremdkapitalgeber ist die Verschuldung in Relation zum Immobilienvermögen, nicht die absolute Höhe der Verbindlichkeiten. Die höheren Wertansätze schufen also immer neuen Kreditspielraum, den vor allem Vonovia, aber auch andere Player für zahlreiche Akquisitionen nutzten. Zumal über die Thesaurierung der Buchgewinne auch das Eigenkapital in die Höhe kletterte. Mit der Zinswende fand das Monopoly-Spiel ein abruptes Ende. Mehr noch: Es verkehrte sich ins Gegenteil. Fallende Bestandswerte erhöhen den Verschuldungsgrad. Die Folge: Praktisch alle Großvermieter versuchen, Wohnungen zu verkaufen, um ihren Loan-to-Value im Zaum zu halten und ein Liquiditätspolster aufzubauen. Damit wollen sie dem Kapitalmarkt finanzielle Handlungsfreiheit demonstrieren. Nach dem Motto: Wir stehen nicht unter Druck.

„Historisch einmalig“

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft hält die gegenwärtigen Preisabschläge für „historisch einmalig“. Noch nie seit Beginn der Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse in den sechziger Jahren seien die Wohnungspreise in Deutschland so schnell so stark gefallen. Die Abschläge für Mehrfamilienhäuser bewegen sich auf Jahressicht bei 20%. Damit ist klar: Die großen Wohnungskonzerne werden zum Stichtag 31. Dezember 2023 weiter sinkende Portfoliowerte ausweisen. Der schwedische Vermieter Heimstaden, der auch in Deutschland Wohnungen besitzt, hat bereits Milliardenabschreibungen verkündet – und in zwei Tagen etwa 40% seines Aktienkurses verloren.

Zum Halbjahr hatten Vonovia, LEG und TAG grob 7% auf ihre Bestände abgeschrieben, bei Grand City war es mit 5,4% etwas weniger, bei der schlingernden Adler Group mit 8,1% etwas mehr. Die Frage ist nun, wie lange und wie tief die Bestandswerte noch fallen. Immerhin hat sich die Geschwindigkeit des Preisverfalls im vierten Quartal verlangsamt. Doch der Druck auf die Bewertungen hält an. Anders als früher stehen mit dem Bond- und dem Geldmarkt attraktive Anlagealternativen zur Verfügung. Zudem steigt der Refinanzierungsbedarf. Eigentümer müssen günstige Darlehen, die sie vor fünf oder zehn Jahren aufgenommen haben, zu viel höheren Zinsen umschulden. Ähnliches gilt für Investoren: Europäische Immobilienfirmen müssen von 2024 bis 2026 rund 120 Mrd. Euro Kapitalmarktschulden zurückzahlen oder refinanzieren; das sind 75% mehr als in den Jahren 2021 bis 2023. Wer die steigenden Zinskosten nicht tragen kann, muss verkaufen. Dann wächst das Angebot an Immobilien, während die Schar der Kaufinteressenten sehr übersichtlich ist.

Wohnungsnot bremst Preisrückgänge

Der Transaktionsmarkt sei wahnsinnig schwer, ist immer wieder aus der Branche zu hören. Laut dem Immobiliendienstleister und -investor CBRE war das 2023er-Volumen das geringste seit 2011. TAG-Co-Chef Martin Thiel hat seine Investoren unlängst darauf eingestimmt, dass die Wohnungswerte in Deutschland bis Sommer 2024 im Vergleich zum Hoch vom Sommer 2022 um 20% schrumpfen können. Seiner Meinung nach muss man sogar Vorkehrungen für einen Werteverfall von 30% treffen. So heftig muss es nicht kommen – schließlich nimmt die Wohnungsnot in deutschen Großstädten weiter zu und der Neubau bricht ein. Beides stützt die Preise. Doch es ist zu früh, die Wohnimmobilien-Trendwende auszurufen.