Russland-Sanktionen

Zu kurz gesprungen

Kommunikationsinfrastruktur und -services haben in der Sanktionspolitik des Westens gegenüber Russland bisher noch wenig Beachtung gefunden. Sie können indes sehr wirkungsvolle Waffen sein, wenn Unternehmen bereit sind, sie einzusetzen.

Zu kurz gesprungen

In der Liste der effektiven Sanktionsmöglichkeiten ge­gen Russland haben Kommunikationsinfrastruktur und -services bisher noch wenig Beachtung gefunden. Zwar haben die Ukrainer beides erfolgreich ge­nutzt, um die Deutungshoheit über den Krieg im Internet zu er­ringen, aber die Kehrseite – der mögliche Nutzen eines Embargos – blieb weitgehend außer Betracht. Gleichwohl hat auch die Internet- und Kommunikationsbranche bereits reagiert, wenn auch nicht mit letzter Konsequenz. Ein vorläufiger Liefer- und Verkaufsstopp für Geräte und Netztechnik kam schnell. Apple beispielsweise setzte den Verkauf von iPhones aus, Nokia die Lieferung von Netztechnik – vorerst.

Insofern verschärft der Schritt des schwedischen Telekomausrüsters Ericsson, der nun ankündigt, sich auch endgültig aus Russland zu verabschieden, die Gangart. Russische Telekomkonzerne müssen sich nun an chinesische Ausrüster wenden, um ihre Netze auszubauen. Huawei, die aufgrund von Sicherheitsbedenken für die kritische Infrastruktur im Westen durch Sanktionen stark behindert ist, wird diese Chance schon aus unternehmerischen Gründen nutzen wollen. Dies zeigt einmal mehr die Schattenseiten einer globalen Sanktionspolitik, bei der es leicht geschehen kann, dass die vermeintliche Eindämmung eines Problems das nächste hervorruft. Jedenfalls wird sich der Westen im Hinblick auf ein Embargo von Kommunikationstechnik besonders schwertun, China in diesem Krieg auf seine Seite zu ziehen.

Dabei könnte gerade diese Waffe in Russland eine geradezu lähmende Wirkung entfalten, wenn auch andere Big Player sich zu einem radikalen Schritt wie Ericsson entschließen könnten. Die Schweden tun sich mit ihrer Entscheidung indes leicht. Russland und die Ukraine zu­sammen stehen für unter 2% vom Konzernumsatz. Für Apple etwa ist der russische Markt nicht ganz so leichtgewichtig. Der iPhone-Hersteller hat sich nicht ohne Grund entschieden, nur den Vertrieb von Neugeräten einzustellen. Der Service für die Bestandskundenbasis und die Altgeräte bleibt bestehen. Auf diese Weise kann der Konzern nach einem Ende des Krieges das Geschäft leichter wieder aufnehmen. Außerdem schützt er den hochmargigen Teil der Erlöse. Letzteres gilt auch für Google, Samsung und andere.

Damit sind die Unternehmen allerdings zu kurz gesprungen. Erst die Einstellung von Services und Updates – das Rückgrat einer reibungslosen Kommunikation – würde diese zu einer wirkungsvollen Sanktionswaffe machen.

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