DWS

Zu viel des Guten

Die überhöhten Versprechen der DWS zur Nachhaltigkeit sind kein Skandal. Doch falsche Erwartungen an ESG-Kriterien hat auch das Fondshaus mit seiner Rhetorik geschürt.

Zu viel des Guten

Die Kapitalanlage, so glauben offenbar viele, kann gar nicht nachhaltig genug sein. Zum „Kern all unseren Handelns“ will Deutschlands größte Fondsgesellschaft DWS die Kriterien für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung erheben, wie im Geschäftsbericht zu lesen ist. Die börsennotierte Fondstochter der Deutschen Bank strebt eine Rolle als „führender ESG-Vermögensverwalter“ an und nimmt für sich ähnlich wie viele Wettbewerber in Anspruch, ESG-Kriterien für den überwiegenden Anteil der Vermögen bereits „integriert“ zu haben. Hochtrabende Worte, die ihr zum Verhängnis wurden. Medienberichte über Untersuchungen der US-Börsenaufsicht SEC, die dem Vorwurf überzogener Versprechen nachgehen soll, führten vor wenigen Tagen zu einem Einbruch der DWS-Aktie, von dem sich das Papier nicht erholt hat.

Das Schlamassel der DWS liegt nicht allein am Zusammenspiel aus medialer Aufmerksamkeit und einem Einschreiten der Aufsicht und kann auch nicht nur mit dem Zerwürfnis der ehemaligen DWS-Nachhaltigkeitschefin Desiree Fixler mit ihrem Ex-Arbeitgeber erklärt werden. Auch vermeintliche oder tatsächliche Mängel in den Anlageprozessen wiegen nicht schwer genug, um den Kurseinbruch zu erklären. Die Aufregung ist auch Zeichen zu hoher Erwartungen an die nachhaltige Kapitalanlage. Die Branche muss aufpassen, diese Irrtümer nicht noch mehr zu schüren.

Das erste Missverständnis besteht darin, ESG-Kriterien als allumfassende Lösung im Fondsmanagement darzustellen – als ob sich das in allen Strategien je bewahrheiten ließe! Das facettenreiche Handwerk der Kapitalanlage lebt von heterogenen Ansätzen. Im Wettbewerb um die besten Anlagestrategien ragen tendenziell diejenigen heraus, die sich eben nicht genauso verhalten wie die Masse. Ein neuer Fundus an ESG-Informationen, deren Belastbarkeit und Konsistenz noch wachsen muss, kann nicht überall Dreh- und Angelpunkt sein, wollte man keine Bewertungsblase fördern. Kern allen Handelns? Das ist zu viel des Guten!

Zweitens kann die Branche das Kapital nicht nach Belieben lenken, sondern sie operiert in einem anpassungsfähigen Markt. Dieser Punkt ist eigentlich offensichtlich, und die DWS wird ihn nicht bestreiten. Gleichwohl suggeriert sie eine hohe Macht der Branche, wenn sie der Zunft eine „zentrale Rolle“ in einer „grünen Industrialisierung“ zuschreibt. Kritiker der Fondsbranche haben hier ein leichtes Spiel. Es liegt natürlich nicht in der Macht von Finanzfirmen, zum Beispiel Kohlekraftwerken, Verbrennungsmotoren oder Waffen den Geldhahn zuzudrehen oder diversen ehrenwerten Vorhaben wie erneuerbaren Energien, Mikrokrediten oder veganen Buletten den Durchbruch zu ermöglichen. Es gibt einfach zu viele Geldgeber, als dass sie sich absprechen und Kapital im großen Umfang zurückhalten könnten. Umgekehrt kommen zukunftsweisende Geschäftszweige auch ohne explizite ESG-Fonds an Geld. Für die Regeln in der Wirtschaft und für ökonomische Anreize ist wiederum der Gesetzgeber verantwortlich. Und wer als Privatperson Gutes mit dem Geld bewirken möchte, sollte es ­ effektiv spenden, anstatt sich vorzumachen, mit einem renditeorientierten Investment die Welt zu verbessern.

Erst wenn die Grenzen abgesteckt sind, ergibt die Debatte über Nachhaltigkeit Sinn – denn in gewissem Rahmen können Fondshäuser durchaus etwas tun. Sie interagieren mit Unternehmenslenkern und nehmen auf die Firmenpolitik Einfluss. Die Geldgeber können dabei konkret zu ethischen Fragen Position beziehen. Auch hindert sie niemand daran, ihre Grundsätze öffentlich und ohne allzu viel Pathos zu skizzieren. In diesem Rahmen ist ein Versprechen der Nachhaltigkeit möglich. Die DWS hat in ihrer Kommunikation zuletzt etwa einen starken Akzent auf Klimaschutz gelegt. Darüber hinaus sollte die Branche nicht vergessen, dass ESG-Informationen nur ein Datensatz unter vielen sind. Je nach Strategie sagen Nachhaltigkeitsdaten manchmal etwas aus – und manchmal nicht.

Eine maßvolle Rhetorik ist nicht leicht, denn Nachhaltigkeit hat als Schlagwort eine ungeheure Sogwirkung: Vor allem die EU treibt das Thema mit Offenlegungspflichten, Taxonomie und absehbar neuen Vertriebsvorgaben voran. Nichtregierungsorganisationen entdecken die Finanzwelt für sich, die Wirtschaftspresse greift das Thema auf. Fondsanbieter stehen unter Zugzwang – und weil es zugleich keine einheitliche Definition für Nachhaltigkeit gibt, können sie fast alles behaupten. In dieser Gemengelage stellen sich viele Adressen als Vorreiter dar. Nicht immer ist dieser Ansatz nachhaltig.

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