Weltraumgipfel Sevilla

Aschbachers diplomatisches Geschick

Auf dem europäischen Weltraumgipfel in Sevilla hat ESA-Chef Aschbacher diplomatisches Fingerspitzengefühl bewiesen, denn die 22 Mitgliedsländer waren sich im Vorfeld nicht in allen Punkten einig. Das liegt auch an der Krise bei den Trägerraketen.

Aschbachers diplomatisches Geschick

Weltraumgipfel Sevilla

Aschbachers diplomatisches Geschick ist gefragt

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Von Gesche Wüpper, Paris

Seine Ernennung glich einer kleinen Sensation. Ausgerechnet er, ein Österreicher und kein Deutscher, Franzose oder Italiener, wurde 2021 an die Spitze der Europäischen Weltraumbehörde ESA (European Space Agency) berufen. Dass ESA-Chef Josef Aschbacher keinem der drei großen ESA-Länder angehört, ist jedoch so wie jetzt bei dem zweitägigen Weltraumgipfel in Sevilla ein Vorteil.

Denn bei den schwierigen Verhandlungen über die Zukunft Europas im All ist regelmäßig diplomatisches Geschick gefragt. Gerade zwischen den großen drei Nationen gab es im Vorfeld Spannungen bei einigen Punkten, etwa der Frage, wie es bei den Trägerraketen weitergehen soll. Erstmals seit langer Zeit steht Europa derzeit keine eigene Trägerrakete zur Verfügung, um seine Satelliten ins All zu bringen.

„Wir haben drei Hauptthemen bei dem ESA-Treffen“, sagte Aschbacher der französischen Luft- und Raumfahrtjournalisten-Vereinigung AJPAE. So wollten sich die Vertreter der 22 ESA-Staaten mit der Rolle Europas bei der Erdbeobachtung beschäftigen. Sie soll helfen, den Klimawandel zu bekämpfen. Aber auch Trägerraketen, also der Zugang zum All, sowie die Erkundung des Weltraums standen auf dem Programm.

Das All als Astronaut erforschen, davon hat Josef Aschbacher geträumt, seit er als Siebenjähriger zusammen mit seinen Eltern die Mondlandung im Fernsehen mitverfolgt hat. Deshalb sei es für ihn immer ein Traum gewesen, bei der ESA zu arbeiten, sagte der heute 61-Jährige einmal der Nachrichtenagentur APA. Dabei hatten seine Eltern eigentlich gehofft, dass er als ältester Sohn ihrer sechs Kinder ihren Bergbauernhof in Ellmau in Tirol übernehmen würde. Stattdessen absolvierte der lesebegeisterte Aschbacher dank Stipendien und Schülerjobs das Gymnasium und studierte anschließend Meteorologie und Geophysik in Innsbruck. Noch während des Studiums bewarb er sich für die Mission „Austromir“, um als erster Österreicher ins All zu fliegen. Aschbacher wurde zwar dafür nicht genommen, konnte jedoch nach seiner Dissertation 1989 bei der ESA beginnen.

Copernicus maßgeblich mitentwickelt

Nach einem Traineeprogramm ging er zum Europäischen Weltraumforschungsinstitut ESRIN nach Frascati bei Rom, später lehrte er am Asian Institute of Technology in Bangkok Erdbeobachtungsmethoden mit Radartechnologien und Bildverarbeitung. Gleichzeitig vertrat er dort die Interessen der ESA und erarbeitete für sie Projekte für Asien.

Am EU-Joint Research Centre im italienischen Ispra entwickelte er anschließend das unter dem Namen Copernicus bekannte Erdbeobachtungsprogramm maßgeblich mit, bevor er mehrere Jahre lang am Hauptsitz der ESA in Paris arbeitete und dann ans ESRIN in Frascati zurückging. 2016 schließlich wurde der Vater von drei Kindern als Direktor für Erdbeobachtung in das zehnköpfige ESA-Direktorium berufen.

Mit Copernicus habe Europa ein Weltklasse-Erdbeobachtungssystem entwickelt, sagt Aschbacher. „In einigen Fällen sind wir bei Technologien weltweit führend – und das sollten wir nicht vergessen.“ Er bekomme so oft im Zusammenhang mit den Trägerraketen zu hören, dass sich Europa in einer Krise befinde. Dabei sei er der Erste gewesen, der offen davon gesprochen habe, dass es eine Trägerraketen-Krise gebe.

„Mein Ziel ist, einen garantierten Zugang zum All zu sichern, sicherzustellen, dass unsere Ariane-6-Trägerrakete und Vega-C-Raketen so schnell wie möglich auf die Startrampe zurückkehren“, erklärt Aschbacher. Nach einem wichtigen Test am 23. November hofft er, dass die ESA Ende des Monats in der Lage sein wird, einen Startzeitraum für Ariane 6 festzulegen. Sie hätte eigentlich schon 2020 an den Start gehen sollen.

Neue Finanzierungen für Ariane 6

In Sevilla ging es auch um die Finanzierung von Ariane 6. Gleich am ersten Tag konnten sich Deutschland, Frankreich und Italien einigen. Eigentlich sollte Ariane 6 nach 15 Starts wettbewerbsfähig werden, doch die Industrie verlangte Unterstützung für die 26 anschließenden Starts. Nun wurde beschlossen, dass Ariane 6 ab 2026 bis zu 340 Mill. Euro pro Jahr erhalten soll.

Davon will Frankreich, wo der Raketenbauer Ariane Group beheimatet ist, 55% übernehmen. Im Gegenzug verpflichtet sich die Industrie, die Kosten um 11% zu senken. Für künftige Trägerraketen soll es Ausschreibungen geben. Auch bei einem Raumfahrzeug, das bis 2028 entwickelt werden soll, setzt die ESA in Zukunft auf Wettbewerb.

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