Beim Londoner KI-Start-up Stability AI, das mit Stable Diffusion einen von mehreren im vergangenen Jahr massiv gehypten Bildgeneratoren betreibt, setzt sich der Exodus hochrangiger Manager fort. Im Oktober sollen Chief People Officer Ozden Onder und Chefjurist Adam Avrunin dem Unternehmen den Rücken gekehrt haben, berichtet Bloomberg unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen.

Stable Diffusion ist eine Open-Source-Software, die – ähnlich wie Midjourney oder die von OpenAI entwickelte Dall-E – in der Lage ist, Bilder auf Kommando zu erstellen. Vor einem Jahr hatte der Betreiber Stability AI in einer Finanzierungsrunde rund 100 Mill. Dollar eingesammelt, unter anderem vom US-Tech-Investor Coatue und vom US-Wagniskapitalgeber Lightspeed Venture Partners. Bei der Runde war das Unternehmen mit 1 Mrd. Dollar bewertet worden.

Das 2019 gegründete Start-up galt vielen als europäischer Hoffnungsträger in der generativen KI. Zehn Millionen tägliche Nutzer sollen zu Zeiten der Finanzierungsrunde bei Stable Diffusion gezählt worden sein, wie Gründer und CEO Emad Mostaque damals erklärte. Im Zuge des anhaltenden Venture-Capital-Booms für generative KI tummeln sich in dem Bereich aber allein in Europa mittlerweile weit mehr als 100 Start-ups.

Abgesehen davon war in den vergangenen Monaten eine Reihe von Anschuldigungen gegen Mostaque laut geworden. So soll der Gründer über sich selbst, über die Entstehung von Stable Diffusion und die wirtschaftliche Entwicklung der Firma irreführende sowie falsche Angaben gemacht haben. In Investorenpräsentationen soll er etwa behauptet haben, dass die Weltbank, die OECD und die WHO Partner von Stability AI waren, was die drei Organisationen abstreiten, wie das US-Magazin "Forbes" im Juni berichtete. Löhne sollen zudem laut ehemaligen Mitarbeitenden wiederholt nicht oder zu spät ausgezahlt worden sein. Von Künstlerinnen und von der US-Fotoagentur Getty Images ist Stability AI zugleich wegen Urheberrechtsverletzungen verklagt worden. Die Kläger werfen dem Start-up vor, seinen Algorithmus unrechtmäßig mit menschlich erzeugten Werken trainiert zu haben.

Avrunin und Onder waren im Januar sowie im März 2023 zu Stability AI gestoßen – und sind damit wie viele andere Ex-Manager nicht mal ein ganzes Jahr für das Unternehmen tätig gewesen. Zu den Führungskräften, die das Start-up nach kurzer Zeit wieder verlassen haben, zählen unter anderem Christian Cantrell (ehemals VP of Product), Daniel Jeffries (ehemals Chief Information Officer), David Ha (ehemaliger Head of Research), Ren Ito (ehemaliger Chief Operating Officer), Scott Draves (ehemaliger VP Engineering) und Nathan Lile (ehemaliger Chief of Staff).

Sie alle hatten teils jahrzehntelange Erfahrung aus der Tech- und KI-Industrie in das Start-up eingebracht. Cantrell war etwa vor seinem Wechsel fast 20 Jahre lang für den Softwarekonzern Adobe tätig gewesen. Draves und Ha waren jeweils mehrere Jahre bei Google beschäftigt. Avrunin kam vom Videokommunikationsdienst Zoom, und Onder war zuvor unter anderem fast fünf Jahre lang beim Softwarekonzern Atlassian tätig.

Stability AI wollte die jüngsten Abgänge nicht kommentieren. Mit Blick auf die vorherigen Rücktritte war dem Unternehmen aber schon im August wichtig zu betonen, dass die Belegschaft trotz allem wachse. Über die vergangenen sechs Monate hinweg habe man die Zahl der Angestellten um 30% gesteigert, wie die Firma dem Online-Magazin "Sifted" damals mitteilte.