M&A

ESG gewinnt in Transaktionen an Bedeutung

Aspekte wie Ökologie, Governance und Diversität spielen in Übernahmen zunehmend als wertbildende Kriterien eine Rolle.

ESG gewinnt in Transaktionen an Bedeutung

Von Rainer Traugott, Stefan Patzer und Stefan Bartz*)

ESG – also „Environment, Social und Governance“ – ist in aller Munde. Daran hat auch die Corona-Pandemie nichts geändert. In ihrem Verlauf ist der zuvor ausgeprägte Fokus auf Umweltthemen jedoch etwas zurückgegangen, während Social- sowie Governance-Themen an Bedeutung gewonnen haben. Die intensiv ge­führte öffentliche Diskussion um das deutsche und das EU-Lieferkettengesetz oder auch der Wirecard-Skandal sind Beispiele dafür.

Auch bei M&A-Transaktionen setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass ESG bedeutsam und oft ein wesentlicher wertbildender Faktor ist. Die denkbaren Auswirkungen von Versäumnissen in diesem Be­reich sind vielschichtig und werden inzwischen auch von Unternehmen berücksichtigt, die sich bislang noch nicht mit diesem Themengebiet beschäftigt haben.

Schon in der ersten Phase einer M&A-Transaktion, der Due Diligence, ergeben sich entscheidende Weichenstellungen. Ziel muss es sein, potenzielle Risiken aus ESG-Ver­stö­ßen frühzeitig zu identifizieren, um sie bei der Transaktion berücksichtigen zu können. Bereiche wie Arbeitsrecht, umweltrechtliche Genehmigungen oder auch Compliance-Fragen sind schon länger Bestandteil einer umfassenden Due Diligence des Zielunternehmens. ESG erweitert das Spektrum um Aspekte wie z.B. Nachhaltigkeit, gute Unternehmensführung, Diversität und Mitarbeiterzufriedenheit. Die Vielzahl der Themen und ihre zuweilen schwere rechtliche Greifbarkeit sind zugleich die besondere Herausforderung einer ESG Due Diligence. Doch auch insoweit entwickeln sich derzeit Standards, welche Informationen ein Käufer abfragen bzw. ein Verkäufer bereithalten sollte.

Nach Abschluss der Due Diligence gilt es, gewonnene Erkenntnisse in passende vertragliche Regelungen zu überführen. Die Risikotragung für erkannte Verstöße muss klar definiert sein, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Regelmäßig bietet sich eine Freistellung an, deren Ausgestaltung aber Gegenstand intensiver Verhandlungen sein kann, z.B. hinsichtlich Haftungsumfang, Verjährung und etwaiger Risikoteilung. Aber auch wenn die Due Diligence keine ESG-Versäumnisse aufzeigt, werden Käufer und Verkäufer regeln wollen, wer für unerkannt gebliebene Verstöße aufkommen muss. Anbieten kann es sich hier, Garantien zur Einhaltung bestimmter ESG-Standards zu vereinbaren. Auch gilt es zu regeln, inwiefern Reputationsschäden zu ersetzen sind.

Da ESG-Compliance in der öffentlichen Wahrnehmung immer wichtiger wird, können Verstöße neben sonstigen Sanktionen nämlich auch zu gravierenden Reputationsschäden führen. Dies betrifft insbesondere Vorfälle, die in den (sozialen) Medien aufgegriffen werden und sich aktuellen Themen zuordnen lassen, wie etwa #metoo, #fridaysforfuture oder #blacklivesmatter. Mit der medialen Aufmerksamkeit steigt zugleich das Risiko von Klagen. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen etwa hat sich die Zahl der ESG-Klagen im Zusammenhang mit dem Klimawandel in den letzten drei Jahren nahezu verdoppelt. Ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht.

Vor diesem Hintergrund sind ESG-The­men häufig Vorstands- oder Geschäftsleitersache. Vorstände und Geschäftsleiter unterliegen der Legalitätspflicht, d.h., sie dürfen keine Rechtsverstöße begehen oder dulden und müssen erkannte Verstöße unverzüglich abstellen. Die betrieblichen Abläufe sind so sorgfältig zu organisieren, dass Gesetzesverletzungen möglichst vermieden und ggfs. zügig aufgedeckt und beendet werden können. Anderenfalls droht eine unter Umständen auch persönliche Haftung. Gerade im Zusammenhang mit ESG-Verstößen können die Pflichten aber auch darüber hinaus gehen und ein Einschreiten selbst dann erfordern, wenn noch gar kein Rechtsverstoß vorliegt. Das Unternehmensinteresse als oberste Handlungsmaxime gebietet es, auch mögliche Reputationsverluste ins Auge zu fassen, die bei ESG-Verstößen verstärkt drohen. Die Abwägung mit dem Interesse des Unternehmens an Gewinnerzielung kann dabei im Einzelfall durchaus schwierig sein. In Extremfällen mag dies Anlass sein, von einer geplanten Übernahme Abstand zu nehmen, um negative Auswirkungen für das eigene Unternehmen zu vermeiden.

Risiken bis zum Exit

Diese Überlegungen gelten nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Finanzinvestoren. Es verwundert daher nicht, dass sich ein deutlicher Trend unter Private-Equity-Häusern erkennen lässt, klare ESG-Ziele zu formulieren. Nach einer kürzlich in Deutschland durchgeführten Umfrage führen bisher weniger als die Hälfte­ der Private-Equity-Fonds eine ESG-Due-Dili­gence durch. Unerkannte ESG-Verstöße und fehlende Compliance bergen indes nicht nur Risiken während der Haltedauer, sondern können sich auch beim Exit auswirken: Der Markt für Unternehmen mit ESG-Risiken wird zunehmend schwieriger und ESG-Vorfälle können einen Ausstieg des Finanzinvestors wesentlich verzögern oder sich negativ auf den Verkaufspreis auswirken. Im schlimmsten Fall vereiteln sie den geplanten Verkauf oder Börsengang sogar gänzlich.

*) Dr. Rainer Traugott ist Partner, Stefan Patzer ist Counsel und Dr. Stefan Bartz ist Associate von Latham & Watkins.