Wohnungsbau

Böse Erinnerungen

Die Bauzinsen haben sich binnen weniger Wochen massiv verteuert, was die Pläne vieler Bauwilliger durcheinander bringt.

Böse Erinnerungen

Wolf Brandes

Von

Zinsschock lautet das Wort der Stunde. Mit einer gewissen Verwunderung nehmen Investoren zur Kenntnis, dass die Renditen und die Kreditzinsen in wenigen Wochen in die Höhe geschnellt sind. Das Verblüffende daran ist, dass zumindest in der Eurozone sich an den Leitzinsen noch gar nichts getan hat. Es sind die Erwartungen oder Ängste, die die Märkte treiben. Wenn man die Hinweise von der EZB aufnimmt, soll es auch im Juli nur um eine Zinserhöhung von 0,25 Prozentpunkten gehen. Noch sind wir wie seit vielen Jahren bei 0 %, was den EZB-Leitzins angeht. Wenn auch nicht bei der EZB, so muss doch sonst überall für einen Euro inzwischen etwas gezahlt werden. Die Renditen der zehnjährigen Bundesanleihen sind von minus 0,2 % Anfang des Jahres auf bis zu 1,8 % im Juni geklettert. Das ist ein Anstieg um 200 Basispunkte. Für Häuslebauer stiegen die Zinsen sogar noch stärker. Hypotheken kosteten Anfang des Jahres rund 1 % bei zehnjähriger Zinsbindung und müssen mittlerweile mit 3,1 % pro Jahr bezahlt werden.

Ein derart starker Zinsanstieg erinnert an die Marktbewegung des Jahres 1994, als die Umlaufrendite der Bundesanleihen von Anfang des Jahres 5,4 % auf Ende des Jahres 7,6 % gestiegen war. Damals standen die Märkte auch unter einem Zinsschock, und zwar einem unerwarteten. Ende 1993 war die Rendite mit gut 5 % auf einen historischen Tiefstand gefallen – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die überraschende Zinserhöhung der Fed seinerzeit löste eine starke Gegenbewegung an den Zinsmärkten aus. Mit entsprechend scharfen Kursverlusten für Anleihen, die beispielsweise 1994 bei Rentenfonds sogar zu einer negativen Jahresperformance geführt haben.

Auch im aktuellen Umfeld sind langlaufende Zinspapiere natürlich unter die Räder gekommen. Die Jahresperformance des RexP für zehnjährige Bundesanleihen weist aktuell einen Verlust von 14 % aus. Wohl gemerkt, bei sicheren Bundesanleihen. Dennoch ist der Schock nicht so groß wie 1994, denn alles in allem kommt die Zinssteigerung doch erwartet. Gemessen an der Rendite der zehnjährigen deutschen Staatspapiere war der Tiefpunkt mit minus 0,7 % schon Mitte 2019, seitdem geht es tendenziell nach oben. Auch gab es keine überraschende Zinserhöhung der Fed, sondern wohl kommunizierte, erst vorsichtigere und dann deutlichere Zinsschritte. Diese Zinserhöhungspolitik gibt nun in der Eurozone zumindest die Richtung vor.

Unerwartet oder nicht – ein Anstieg der Zinsen um 200 Basispunkte oder mehr bei Finanzierungskosten bringt viele Pläne und Berechnungen durcheinander. Das spüren nicht nur die Privaten bei Hypotheken, sondern auch die institutionellen Investoren, die sich immer mehr zurückhalten. Verglichen damit fällt die Freude über das Ende der Negativzinsen und zag-

hafte Positivzinsen bei Einlagen und Anleihen verhalten aus. Mag sein, dass sich das bei einem Zinsniveau von 5 % ändern würde, doch davon kann heutzutage und auch in Zukunft nicht mehr die Rede sein.

Für die Finanzierungsseite wiederum sind Konditionen von 3 % plus immer noch weitaus weniger, als im langjährigen Mittel zu zahlen war. Doch viele Projekte waren eben mit Null- und Niedrigzinsen kalkuliert – das ist jetzt vorbei. Vorbei sein dürfte damit auf Dauer auch der Anstieg der Assetpreise und der Immobilienpreise sein, auch wenn das noch nicht in der Breite sichtbar ist.