Ölmarkt

Donnerschlag der Opec

Die Entscheidung der Opec, die Produktion deutlich zu kürzen, ist ein Donnerschlag nicht nur am Ölmarkt. Leidtragende sind politisch die USA und wirtschaftlich vor allem Europa.

Donnerschlag der Opec

Die Entscheidung der Opec plus, die Ölproduktion um weitere 1,66 Mill. Barrel pro Tag (bpd) zu reduzieren, hat den Markt völlig unerwartet getroffen. Praktisch alle Marktbeobachter gingen davon aus, dass die Gruppierung der Öl produzierenden Länder ihre Förderung kon­stant hält. Dementsprechend sind die Reaktionen mit einer Verteuerung der führenden Sorte Brent Crude von bis zu 8% auch recht drastisch ausgefallen.

Eigentlich ist die Kürzung durch die Opec-plus-Produzenten sogar noch größer, denn man muss die von Russland angekündigte Senkung der Produktion um 500000 bpd, die seit Anfang März gilt, hinzuzählen. Der stellvertretende russische Ministerpräsident Alexander Nowak hat jetzt mitgeteilt, dass diese Kürzung bis zum Jahresende gelten soll. Nicht übersehen werden sollte auch, dass die Opec plus bereits im November um 2 Mill. bpd reduziert hat, die Kürzungen summieren sich also auf.

Die jüngste Entscheidung könnte nach Einschätzung von Marktteilnehmern dafür sorgen, dass der Ölpreis mittelfristig um rund 10 Dollar je Barrel steigt. Die Produzentenländer reagieren zum einen darauf, dass der Brent-Ölpreis im vergangenen Monat bis auf fast 70 Dollar gefallen ist, was den niedrigsten Preis seit 15 Monaten darstellt. Zum anderen gehen sie offensichtlich davon aus, dass die Nachfrage in den nächsten Monaten vergleichsweise schwach ausfallen wird – trotz der konjunkturellen Erholung in China nach dem Ende der Null-Covid-Politik der chinesischen Regierung. Die Opec plus rechnet also damit, dass die kontinuierliche Zuspitzung des neuen Ost-West-Konflikts tiefe Spuren in der Weltwirtschaft hinterlassen wird, so wie dies auch die Weltbank erwartet, die mit Blick auf die globale Wirtschaft sogar schon vor einem „verlorenen Jahrzehnt“ warnt.

Der Donnerschlag betrifft aber nicht nur den globalen Ölmarkt, sondern auch die geopolitischen Machtverhältnisse im Nahen Osten. Die Opec-Entscheidung, die in Washington hart kritisiert worden ist, zeigt, dass die USA ihre Vormachtstellung in der Region rund um den Persischen Golf weitgehend eingebüßt haben. Saudi-Arabien, das die Mitgliedschaft in den Reihen der BRICS-Länder sowie in der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) anstrebt und den Handel mit China nicht mehr im Dollar, sondern im Yuan abwickelt, demonstriert seine Unabhängigkeit von den USA. Im Grunde lässt sich sogar von einem Seitenwechsel Riads sprechen. Dabei ist auch die kürzlich verkündete Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran von zentraler Bedeutung.

Insbesondere für Europa sind das alles schlechte Nachrichten. Die Energieversorgung wird sich weiter verteuern. Da die Förderkürzungen der Opec längerfristig angelegt sind, werden sie Europa auch im nächsten Herbst und Winter treffen, wenn sich gemäß den Erwartungen der meisten Analysten auch Erdgas wieder deutlich verteuert. Die Folge könnte eine erneute Verstärkung der Inflation sein, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Geldentwertung in wichtigen Teilbereichen wie Lebensmitteln immer noch exorbitant hoch ist. Die USA sind hingegen Selbstversorger bei Rohöl. Der Donnerschlag am Ölmarkt wird also insbesondere in Europa einen langen Nachhall haben.

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