Geldpolitik

EZB legt kräftig nach und kappt Zins­gewinne

Trotz zunehmender Rezessionswahrscheinlichkeit und Kritik führender Euro-Staatenlenker setzt die Europäische Zentralbank (EZB) ihre beispiellose geldpolitische Straffung fort. Die Euro-Währungshüter hoben am Donnerstag ihre Leitzinsen erneut um 75...

EZB legt kräftig nach und kappt Zins­gewinne

ms/rec/ck Frankfurt

Trotz zunehmender Rezessionswahrscheinlichkeit und Kritik führender Euro-Staatenlenker setzt die Europäische Zentralbank (EZB) ihre beispiellose geldpolitische Straffung fort. Die Euro-Währungshüter hoben am Donnerstag ihre Leitzinsen erneut um 75 Basispunkte an und stellten weitere Zinserhöhungen in Aussicht. Zudem beschlossen sie erste Schritte in Richtung Abbau der aufgeblähten EZB-Bilanz und wollen da im Dezember nachlegen. Zugleich betonte die EZB aber stärker die Konjunkturrisiken, was einige Experten als Signal werteten, dass sie künftig vorsichtiger agieren und schon bald mit der Straffung aufhören könnte.

Mit der neuerlichen Zinserhöhung um 75 Basispunkte hat die EZB ihre Leitzinsen nun seit Juli um 200 Basispunkte angehoben. Das ist der mit Abstand aggressivste Zinserhöhungskurs seit Einführung des Euro 1999. Grund ist die rekordhohe Inflation. Im September lag sie bei 9,9%. Das EZB-Ziel ist mittelfristig 2,0%. Zugleich nehmen die Rezessionssignale zu. Vor der Sitzung hatten unter anderen Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und Italiens neue Regierungschefin Giorgia Meloni Kritik am EZB-Kurs geübt.

„Unsere Aufgabe ist, die Inflation zu bekämpfen“, entgegnete EZB-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag. Die EZB habe nun zwar „erhebliche Fortschritte bei der Rücknahme der geldpolitischen Akkommodierung erzielt“. Es gebe aber noch viel zu tun. Der Leitzins liegt nun bei 2,0%, der aktuell wichtigere Einlagensatz bei 1,5%.

Neben der Zinserhöhung beschloss der EZB-Rat Neuerungen bei den Liquiditätshilfen aus Krisenzeiten (TLTRO). Damit will er auch Zinsgewinne kappen, die die Banken dank der Zinswende risikofrei erzielen, wenn sie das Geld bei der EZB parken. Deutsche Banken kritisierten die Entscheidung.

Am Anleihemarkt gaben die Renditen nach dem Zinsentscheid deutlich nach. So fiel die Verzinsung der zehnjährigen Bundesanleihe unter 2% und lag am frühen Abend bei 1,97% – nach 2,12% am Mittwoch. Der Euro fiel wieder unter die Dollar-Parität und verzeichnete am frühen Abend mit 0,9984 Dollar knapp 1% Minus.

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