Corporate Governance

Anleger machen Druck bei Manager­gehältern

Neue Regularien rücken die Vorstandsvergütung noch stärker in den Fokus der Hauptversammlung, und Anteilseigner ziehen in der Abstimmung häufiger die gelbe Karte.

Anleger machen Druck bei Manager­gehältern

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

In der Vorstandsvergütung bekommen Unternehmen verstärkt Druck von Investoren zu spüren. Das lässt sich auch aus den jüngsten Hauptversammlungsvoten ablesen. In der zu Ende gehenden Saison mussten die Gesellschaften erstmals die Vergütungsberichte zur Abstimmung stellen – diese sind nach neuer Regulierung jährlich auf die Tagesordnung der Aktionärstreffen zu setzen, die Vergütungssysteme sind den Aktionären mindestens alle vier Jahre zur Billigung vorzulegen.

Nach einer Aufstellung der Unternehmensberatung Willis Towers Watson (WTW) haben die Dax-40-Unternehmen 2022 im Durchschnitt im „Say-on-Pay“ eine Zustimmungsquote von gut 80% erzielt – Linde, die am 25. Juli zur HV bittet, ist nicht enthalten, genauso wie Qiagen mit Termin am 23. Juni und Daimler Truck, die gerade 98% Zustimmung erhielt. Infineon hat von der Abstimmung noch abgesehen, was dem Halbleiterkonzern durch das gebrochene Geschäftsjahr möglich ist.

Stephanie Schmelter, Vergütungsexpertin von WTW, beurteilt die Zustimmungsquote im ersten Jahr als „durchaus respektabel“. Doch das Stimmungsbild fällt schlechter aus als in den Abstimmungen zuvor über die Vergütungssysteme. Diese Voten fanden überwiegend 2021 statt, in der laufenden Saison haben noch fünf Dax-Konzerne das Thema auf die Agenda gesetzt. Nach der Statistik der Berater liegt der Durchschnitt der Zustimmung über beide Jahre bei knapp 91%. Schlusslicht war Zalando mit 72,3% Ja-Stimmen in der Hauptversammlung 2021; der Vergütungsbericht erhielt nun 2022 auch nur moderate 60,3%.

Einzelnen Unternehmen haben die Investoren 2022 die rote Karte gezeigt. So ist der Vergütungsbericht von Bayer mit nur 24% Ja-Stimmen durchgefallen genauso wie der von Hellofresh mit knapp 42%. Gerade noch mehrheitsfähig war der Vergütungsbericht von Symrise mit knapp 53% Zustimmung; die gelbe Karte zückten die Aktionäre bei Puma und Continental mit nur jeweils rund 68% Ja-Stimmen.

Im Kreis der Investoren wird bei der Abstimmung über das Vergütungssystem in der Regel eine Ablehnung von mehr als einem Fünftel als Grenze angesehen, die den Aufsichtsrat zum Handeln zwingt. Dies dürfte sich auf die Voten über den Vergütungsbericht übertragen lassen, da dieser darlegt, wie das Vergütungssystem angewendet wurde.

Auch WTW-Vergütungsexperte Florian Frank geht davon aus, dass die Unternehmen reagieren werden und ein schwaches Abstimmungsergebnis den Aufsichtsrat veranlasst, die Vorstandsvergütung zu überdenken. „Indirekt kommt in dem Votum über den Bericht auch Kritik am Vergütungssystem oder zumindest an der Handhabung des Systems zum Ausdruck“, sagt Frank. Die Unternehmen wollten zudem vermeiden, dass sie im nächsten Jahr auf der Hauptversammlung erneut Gegenwind bekommen.

Wechselbäder

Auf den ersten Blick überraschend ist es, dass Vergütungsberichte wie im Fall Bayer mit breiter Mehrheit abgelehnt werden, obwohl das Vergütungssystem zuvor noch breite Zustimmung gefunden hatte. Die Investoren hatten im Fall Bayer in der Hauptversammlung 2022 beanstandet, dass der Pharma- und Agrarchemiekonzern den freien Cashflow in der Beurteilung der Vorstandsperformance um die Vergleichszahlungen aus den Glyphosat-Klagen bereinigte und die Kennziffer dadurch die für die Zielerreichung erforderliche Hürde übertroffen hat. Dass in solchen Fällen adjustiert würde, war allerdings im Vergütungssystem transparent gemacht worden – dieses hatten die Aktionäre 2020 mit 94% der Stimmen gebilligt –, die Relevanz der Bereinigung nahmen die Anteilseigner aber erst mit dem Vergütungsbericht für 2021 unmissverständlich wahr.

Auch bei Continental hatten die Aktionäre das Vergütungssystem 2020 mit mehr als 97% der Stimmen durchgewunken, und der Bericht fand zwei Jahre später nur eine Akzeptanz von 68%.

In dem Feedback von Investoren und Stimmrechtsberatern auf die Vorschläge der Unternehmen ist laut der Analyse von WTW  zu erkennen, dass die Proxy Advisors sich deutlich häufiger auf die eigentliche Offenlegungspraxis beziehen, als es An­leger tun. Die Stimmrechtsberater hätten in der aktuellen Saison durchaus po­sitiv vermerkt, wenn spezifische nichtfinanzielle Ziele detailliert dargestellt wurden, genauso wie er­mes­sensabhängige Anpassungsklauseln (Modifier). Gewürdigt hätten Häuser wie ISS oder Glass Lewis auch, dass eindeutige und messbare ESG-Ziele gesetzt, die Zielerreichung insgesamt umfassend erläutert wurde und Unternehmen ex ante ihre nichtfinanziellen Ziele veröffentlichen.

Auf Investorenseite steht aus Sicht von WTW eher die Kritik am Vergütungssystem der Konzerne im Fokus. Was moniert wird, sind oft Dauerbrenner wie hohe Antrittsprämien für Manager, wenig herausfordernde Erfolgsziele, mangelnde Pay-for-Performance-Ausrichtung, hohe Beiträge zur Altersversorgung oder diskretionäre Anpassungen von Boni, wenn diese nicht im Einklang mit der Performance des Unternehmens stehen.

Vorgeknöpft haben sich ISS und Investoren in dieser Saison auch Konzerne, in denen das Grundgehalt von Vorständen ohne relevante Gründe deutlich erhöht wurde, erläutert Schmelter. Akzeptiert werde ein signifikant höheres Fixum nur dann, wenn der Verantwortungsumfang der Führungskraft auch deutlich steige – zum Beispiel durch Umstrukturierungen. „Einen reinen Aufholbedarf basierend auf Marktgegebenheiten lassen Investoren nicht immer gelten“, sagt die Beraterin.

Investoren bemängelten auch, wenn aus ihrer Sicht bestimmte Relationen zwischen Fixum, Einjahresbonus und langfristiger Vergütung nicht passen. Kritisch werde gesehen, wenn der Short Term Incentive ein Drittel der Gesamtvergütung übersteigt oder 150%/200% des Grundgehalts erreicht. Akzeptiert wird auch nicht, wenn das CEO-Gehalt das 1,25-Fache des Median der Peergroup übersteigt, wobei zum Beispiel ISS nur einen Vergleich mit Unternehmen aus der eigenen Region zulässt und nicht etwa mit hoch dotierten US-Kollegen.

In der Frage, in welche Richtung es künftig gehen wird, lenken die WTW-Experten den Blick nach Großbritannien, wo das Say-on-Pay seit längerem üblich ist. Dort habe sich gezeigt, dass sich Umfang und Qualität der Veröffentlichungspraxis, aber auch das Design der Vorstandsvergütung stetig weiterentwickelt habe, obwohl es seit 2014 nur kleinere regulatorische Anpassungen gegeben habe. „Die Unternehmen haben auf immensen Druck seitens Inves­toren und Stimmrechtsberatern reagiert“, erklärt Schmelter.

Trend zur Vereinfachung

In der Gestaltung der Vergütungssysteme sei im Vereinigten Königreich ein Trend zur Vereinfachung zu beobachten. Die Unternehmen fo­kussierten vermehrt auf einen einzigen Long-Term-Incentive-Plan an­stelle­ einer Kombination verschiedener LTI-Pläne. Nahezu alle Unter­nehmen verfügten zudem inzwischen über Deferrals, so dass Bonuszahlungen zeitlich aufgeschoben werden. In Großbritannien ist es zudem seit langem­ Standard, dass Vorstände verpflichtet werden, Aktien am eigenen Unternehmen zu erwerben und zu halten, sogenannte Shareholder Ownership Guidelines. „Mittlerweile sind Haltefristen üblich, die über die Bestelldauer des Managers hinaus­gehen – also etwa noch fünf Jahre nach Ausscheiden aus dem Unternehmen“, sagt Schmelter.

In der Offenlegungspraxis gehe Großbritannien ebenfalls voraus. Dort sei der „Chair Letter“ inzwischen ein Muss, der nicht nur das Vergütungsjahr zusammenfasse, sondern eine ganzheitliche Sicht auf die Performance gebe. Dieser Kurzbericht­ des Chairman sei in der Coronakrise deutlich ausgeweitet worden. Er werde auch hierzulande von ersten Dax-Unternehmen dem Vergütungsbericht vorangestellt.

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