Tabakindustrie

Anrüchige Rauchwaren für Russland

Als Sanktion für die Invasion der Ukraine hat die japanische Regierung viele Finanz- und Handelsbeziehungen mit Russland gekappt. Doch Japan Tobacco produziert in Russland weiter Zigaretten der Marken Winston, Camel und Mevius, obwohl es sich zu einem Drittel in Staatsbesitz befindet.

Anrüchige Rauchwaren für Russland

Von Martin Fritz, Tokio

Als Sanktion für die Invasion der Ukraine hat die japanische Regierung viele Finanz- und Handelsbeziehungen mit Russland gekappt. Doch Japan Tobacco produziert in Russland weiter Zigaretten der Marken Winston, Camel und Mevius, obwohl es sich zu einem Drittel in Staatsbesitz befindet.

Während also Tokio schusssichere Helme und Westen nach Kiew liefert, stecken sich russische Soldaten in den Pausen ihres brutalen Ukraine-Feldzuges Glimmstängel von Japan Tobacco an. Als Marktführer mit 37 % Anteil (Hauptmarke LD) ist JT, wie das Unternehmen in Japan heißt, damit fast schon ein kriegswichtiger Betrieb in Russland. Mit 1,4 % der Staatseinnahmen gehört JT auch zu den größten Steuerzahlern. Über die Dividende profitiert auch Japans Finanzminister – 2021 strich er 82 Mrd. Yen (607 Mill. Euro) ein.

Auf den russischen Angriff reagierte JT erst nach über drei Wochen und begnügte sich mit einem Stopp für Investitionen und Marketing. Den geplanten Verkaufsstart für die hauseigene E-Zigarette Ploom legte man auf Eis. Aber seitdem ist der moralische Handlungsdruck auf JT stark gewachsen. Immerhin 60 der 168 in Russland tätigen japanischen Unternehmen, darunter Konzerne wie Toyota und Sony, haben ihre Geschäfte in Russland eingestellt, sei es Produktion, Import oder Vertrieb.

Weit schwerer wiegt, dass die anderen ausländischen Zigarettenhersteller längst öffentlich über ihren Exit aus Russland gesprochen haben. Die Nummer zwei, Philip Morris mit der Marke Marlboro, erklärte schon im März, die lokale Produktion zu verringern und Optionen für einen Ausstieg zu prüfen. Die britischen Hersteller BAT und Imperial Brands wollen ihre Geschäfte an Dritte übertragen. Daher steht JT widerwillig nun doch kurz davor, die Reißleine zu ziehen. „Wir überlegen einen Verkauf, den wir einer Übergabe an einen Dritten bevorzugen“, erklärte Vize-CEO Koji Shimayoshi.

Das lange Zögern erklärt sich nicht nur mit den Schwierigkeiten eines geordneten Rückzugs. JT betreibt in Russland vier Fabriken und beschäftigt 4000 Menschen. Die dortigen Geschäfte steuerten nach eigenen Angaben zuletzt 8 % der Einnahmen und 15 % des Betriebsgewinns bei. Zudem wurde 2018 Donskoy Tabak für 1,6 Mrd. Dollar hinzugekauft. Davon wird man wenig wiedersehen, denn die Verhandlungsposition bei einem Notverkauf ist denkbar schlecht. Dennoch hielt es JT bisher nicht für nötig, die Aktionäre auf eine Abschreibung vorzubereiten.