Inflation

Bauwirtschaft holt weniger Aufträge

Den deutschen Baufirmen machen die gestiegenen Zinsen, hohe Kosten und fehlendes Material spürbar zu schaffen. Vor allem im Wohnungsbau laufen die Geschäfte schleppend.

Bauwirtschaft holt weniger Aufträge

kro/Reuters/dpa-afx Frankfurt

Stornierungen, Auftragseinbrüche, Umsatzrückgänge – die von Experten wegen der Inflation und Materialknappheiten erwartete Abschwächung des Immobilienbooms macht sich in der deutschen Bauwirtschaft schon bemerkbar. In den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres ist der Auftragseingang im Bauhauptgewerbe im Vorjahresvergleich real um 3,8 % gesunken, wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervorgeht. Sorge bereitet dabei vor allem die Entwicklung im Wohnungsbau, wie Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer beim Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), sagte: „Bereits in den Monaten April bis Juni mussten wir reale Rückgänge zwischen −13% und −17% hinnehmen“, so der Jurist. „Im Juli waren es nun ca. −21%.“

Wegen gestiegener Baukosten und höherer Kreditzinsen kämpft die Branche im Wohnungsbau gleichzeitig mit Auftragsstornierungen. Im August waren davon laut einer Ifo-Umfrage 11,6 % aller Unternehmen betroffen. „Bis vor wenigen Monaten standen die Weichen im Wohnungsbau noch auf Wachstum“, kommentierte Ifo-Forscher Felix Leiss die Umfrageergebnisse. „Seit April sehen wir, dass auffällig viele Projekte gestrichen werden.“

Viele Betriebe befürchten daher mittlerweile Geschäftsrückgänge. Der Erwartungsindikator war mit einem Minus von 48,3 Punkten so niedrig wie noch nie seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1991. Die Bundesvereinigung Bauwirtschaft beziffert den erwarteten realen Umsatzverlust in diesem Jahr bislang auf insgesamt 1 % bis 2 %. Im Juli belief sich der preisbereinigte Rückgang bei den Erlösen im Bauhauptgewerbe auf 11 %.

Preise steigen langsamer

„Mit Blick auf die Baugenehmigungen haben wir wenig Hoffnung, dass die Zahlen in den nächsten Monaten besser werden“, sagte Pakleppa vom ZDB. So bewilligten die Behörden im Juli den Bau von 30 653 Wohnungen − 681 Genehmigungen weniger als im Juli 2021. Im Juni war der Rückgang noch deutlicher. „Gerade die privaten Häuslebauer kommen angesichts steigender Finanzierungs- und Lebenshaltungskosten an die Grenzen des Leistbaren“, so der ZDB-Chef. Die Preise für Wohnimmobilien ziehen derweil weiter an − wenngleich auch nicht mehr ganz so kräftig wie im vergangenen Jahr. Im zweiten Quartal verteuerten sich Wohnimmobilien in Deutschland im Vergleich zum Vorjahresquartal durchschnittlich um 10,2 %. „Niemand sollte mehr auf immer weiter steigende Preise spekulieren“, konstatierte LBBW-Ökonom Martin Güth die Entwicklung. Gegen deutliche Preisrückgänge spreche derzeit allerdings das knappe Angebot an zum Verkauf stehenden Objekten.

Aus Sicht des ZDB liegt das Ziel der Bundesregierung von jährlich 400000 neuen Wohnungen in weiter Ferne. Die dafür im Haushalt 2023 vorgesehenen Mittel von 1 Mrd. Euro seien nicht annähernd ausreichend. Bundesbauministerin Klara Geywitz hält dennoch daran fest: „Das Ziel ist das Ziel. Und das Ziel ist ja keine politische Erfindung, sondern abgeleitet vom Bedarf“, sagte die SPD-Politikerin am Freitag nach der Bauministerkonferenz in Stuttgart. Es sei aber auch klar, dass es mit dem Fachkräftemangel, steigenden Zinsen und den Materialengpässen nicht einfacher werde.

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