Inflation

Dax-Konzerne verdienen weniger

Die Vertreter der obersten deutschen Börsenliga haben im zweiten Quartal zwar wieder einen Rekordumsatz eingefahren. Grund zum Jubeln besteht deswegen aber nicht. Den Unternehmen machen die steigenden Kosten schwer zu schaffen. Der Blick in den Herbst bereitet noch mehr Sorgen.

Dax-Konzerne verdienen weniger

kro Frankfurt

Die Zeit der rekordhohen Gewinne ist bei den 40 Dax-Konzernen trotz einer anhaltend hohen Nachfrage schon wieder vorbei. Die Vertreter des deutschen Leitindizes haben im zweiten Quartal mit zusammengerechnet knapp 40 Mrd. Euro operativ fast ein Fünftel weniger verdient als im Vorjahr, wie aus einer EY-Analyse hervorgeht. Im ersten Quartal summierte sich das Ergebnis noch auf gut 52 Mrd. Euro − ein Anstieg von gut einem Fünftel und der höchste jemals in einem ersten Quartal gemessene Gewinn.

Die Entwicklung zeigt, dass die Unternehmen es vor dem Hintergrund der steigenden Preise für Energie, Produktionsmaterialien und Logistik nicht mehr schaffen, ihre rekordhohen Umsätze in eine verbesserte Profitabilität umzumünzen. Denn bei den Erlösen blieb das Wachstumstempo gleich hoch wie im ersten Quartal − hier ging es erneut um knapp 14 % auf fast 450 Mrd. Euro nach oben (Banken nicht mit eingerechnet). Noch nie war in einem zweiten Quartal ein derart hoher Wert zusammengekommen. Von allen 38 betrachteten Unternehmen verbuchten gerade mal drei Firmen einen Umsatzrückgang. Mit großem Abstand am stärksten kletterten die Erlöse bei RWE (+120 %), gefolgt von Eon (+59 %) − den hohen Energiepreisen sei Dank.

Vielen Unternehmen gelinge es bislang, die steigenden Kosten weiterzureichen, sagte Mathieu Meyer, Partner bei EY. Über alle Branchen hinweg betrachtet sei das Wachstum aber nicht ausschließlich preisgetrieben gewesen: In vielen Branchen sei die Nachfrage demnach trotz Inflation, Zinswende und zunehmender Rezessionssorgen „bemerkenswert hoch“ geblieben. Regional betrachtet florierten die Geschäfte vor allem in Nordamerika, mit einem Umsatzplus von gut 23 %. „Die Nachfrage hat sich in den Vereinigten Staaten zuletzt sehr stark entwickelt – trotz der auch dort nicht einfachen Rahmenbedingungen“, so Meyer. Hinzu kämen allerdings auch positive Währungseffekte durch den schwachen Euro.

Ob es mit dem Wachstum im gleichen Maße wie bisher weitergeht, ist Meyer zufolge alles andere als gewiss. „Wenn im Herbst und Winter stark steigende Energiekosten die Budgets der Konsumenten massiv belasten, könnte die Stimmung rasch umschlagen. Darauf müssen sich die Unternehmen vorbereiten.“

Banger Blick nach vorn

Laut Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung bei EY, ist die Stimmung in den Chefetagen schon jetzt äußerst angespannt. Das zeige sich zumindest mit Blick auf die Präsentationen der Quartalszahlen, in denen die Konzerne auf den enorm hohen Grad an Unsicherheit hinweisen. „Es ist derzeit völlig unklar, wie sich die weltweite Konjunktur im Herbst und Winter entwickeln wird“, konstatiert Ahlers. „Derzeit schwebt das Damoklesschwert einer schweren Gas-Krise über der deutschen und europäischen Wirtschaft. Eine mögliche weitere Drosselung der Gaszufuhr könnte in einigen Branchen zu einem Produktionsstillstand führen und Dominoeffekte in anderen Branchen auslösen.“

Mit der von der Bundesregierung beschlossenen Gasumlage dürfte der Druck vor allem auf die energieintensiven Unternehmen ab Oktober weiter zunehmen. Das Institut der deutschen Wirtschaft beziffert die Mehrkosten für die deutsche Wirtschaft auf 5,7 Mrd. Euro (siehe S. 4). Unter anderem für die Chemieindustrie bedeutet das weiteren heftigen Gegenwind. Schon nach dem ersten Halbjahr hatte der Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Christian Kullmann, gesagt, dass der Kostendruck zuschlage „wie eine Keule“. Das zeigt sich etwa anhand der Geschäftszahlen des Kunststoffherstellers Covestro, dessen Ebitda-Marge im zweiten Quartal von 20,7 % im Vorjahr auf 11,6 % eingebrochen war. Mit dem Ebit-Rückgang von gut 49 % liegt der Konzern in dem Zeitraum denn auch auf den hinteren Plätzen im Dax. Gleiches gilt für die Entwicklung des operativen Cashflows, der bei den Leverkusenern zum Ende des zweiten Quartals bei minus 272 Mill. Euro landete. Über alle betrachteten Dax-Unternehmen hinweg ging der Barmittelzufluss um knapp 17 % zurück (ohne Banken und Versicherungen).

Forschungsausgaben steigen

Trotz der trüben Aussichten nehmen die Unternehmen aber weiter Geld in die Hand, um in die Suche nach möglichen neuen Geschäftsfeldern zu investieren. So haben sich die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei jenen 21 Konzernen, die Angaben darüber machen, zuletzt im Durchschnitt um gut 12 % auf etwa 16 Mrd. Euro erhöht. Zur größten Steigerung kam es hier bei Infineon (+24 %). Der Halbleiterkonzern forscht derzeit unter anderem an neuen Chipmaterialien, an Software-Themen und am Einsatz von künstlicher Intelligenz.

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