Risikokapital

Der Start-up-Boom ist vorbei – Venture Capital nicht

In den vergangenen fünf Jahren schien es für Start-ups nur in eine Richtung zu gehen: nach oben. Unternehmen wie Klarna, Gorillas oder N26 schafften es in kürzester Zeit zu Unicorns, also Firmen mit einer Bewertung von mehr als 1 Mrd. Dollar zu...

Der Start-up-Boom ist vorbei – Venture Capital nicht

In den vergangenen fünf Jahren schien es für Start-ups nur in eine Richtung zu gehen: nach oben. Unternehmen wie Klarna, Gorillas oder N26 schafften es in kürzester Zeit zu Unicorns, also Firmen mit einer Bewertung von mehr als 1 Mrd. Dollar zu werden. Während 2020 nur 168 Unternehmen diesen Status erlangten, waren es 2021 über 600. Die ersten Decacorns machten Schlag­zeilen. Aspekte wie das Geschäfts­modell rückten zunehmend in den Hintergrund. Einige Hedgefonds punkteten damit, dass sie Finanzierungen auch ohne Due Diligence durchführten.

Dieser Trend ist vorbei. Sowohl die Anzahl der Finanzierungen als auch deren Höhe ist stark rückläufig. Im zweiten Quartal 2022 flossen rund 120 Mrd. Dollar an Venture Capital, fast ein Drittel weniger als im selben Quartal des Vorjahres. Finanzierungsrunden finden zu teilweise deutlich niedrigeren Bewertungen statt. Sequoia Capital, einer der prominentesten Fonds der Branche, hat sein Portfolio auf härtere Zeiten eingestimmt, in denen neues Kapital knapper sein wird.

Es handelt sich um eine gesunde Korrektur, nicht aber um ein Ende der Erfolgsgeschichte von Venture. Finanzierungen waren im zweiten Quartal zwar rückläufig, lagen aber noch immer deutlich über 2020.

Während Late-Stage-Finanzierungen mit einem Rückgang von 38% auf das Vorjahresquartal unter dem schwierigen Umfeld für Börsengänge gelitten haben, gingen sie in der Early Stage nur um 9% zurück. Die Seed Stage konnte sogar ein Wachstum von 9% aufweisen. Mit Blick auf die Bewertungen unterstreicht Cambridge Associates, dass selbst ein Rückgang von 50% sie allein auf ihren historischen Durchschnitt zurückbringen würde. Nicht nur in dieser Hinsicht signalisiert die „Krise“ von 2022 also vor allem eine Rückkehr zur Normalität. Statt Decacorns und schneller Exits geht es (wieder) um die Finanzierung von disruptiven Geschäftsmodellen, harte Arbeit und langfristen Erfolg.

Die über 50-jährige Geschichte von Venture Capital zeigt, dass gute Unternehmen auch in schwierigen Zeiten finanziert werden. Nachdem der Nasdaq in der Dotcom-Krise über 70% verloren hatte, kehrten Börsenanleger dem Technologiebereich den Rücken. Erfahrene Venture-Manager hingegen sahen eine Chance, sich in einem ruhigeren Umfeld auf die besten Firmen zu konzentrieren und dabei von attraktiveren Bewertungen zu profitieren. In dieser Zeit investierten sie unter anderem in Linkedin, Palantir und Tesla.

Überzeichnete Fundraisings von prominenten Managern unterstreichen, dass erfahrene Anleger unverändert auf eine Anlageklasse setzen, die ihnen über die letzten zehn Jahre eine Nettorendite von 17% pro Jahr beschert hat. Sequoia China hat im Juni einen neuen 9-Mrd.-US-Dollar-Fonds aufgelegt. In Deutschland konnte Project A seinen mit 375 Mill. US-Dollar bisher größten Fonds platzieren.

Große Unterschiede

In guten wie in schlechten Zeiten war Venture schon immer von einer weiten Schere zwischen konsistent erfolgreichen Managern und der breiten Masse geprägt. Ein durchschnittlicher Venture-Fonds, der zwischen 1995 und 2016 aufgelegt wurde, hat eine Rendite von 11% pro Jahr erzielt. Beim besten Viertel hingegen lag sie bei über 25%. Ähnliches gilt in Krisenzeiten. Nach der Finanzkrise erholte sich Venture im Allgemeinen parallel zum Nasdaq. Fonds der besten Manager hingegen erholten sich nicht nur schneller, sondern auch in viel stärkerem Maße als der breite Markt. Vier Jahre nach dem Tiefpunkt von 2008 wurden ihre Portfolios bereits mit dem mehr als Doppelten des Durchschnittsfonds bewertet. Auch heute ist mit einem „Flight to Quality“ zu Managern, die sich über mehrere Fondsgenerationen bewiesen haben, zu rechnen.

Hohe Rendite

Eine gute Nachricht für Anleger: Die Renditen von Venture-Fonds, die unmittelbar nach der Finanzkrise aufgelegt wurden, waren die höchsten der letzten zwei Jahrzehnte. Ähnlich wie bei Private Equity erwirtschaften Fonds, die nach einem Börsenabschwung aufgelegt werden, historisch also die besten Ergebnisse. Dies reflektiert einen geringeren Wettbewerb und reduzierte Bewertungen. Daneben zeigt es, dass die besten Manager in schwierigen Zeiten nicht nur erfolgreich frisches Kapital einsammeln, sondern auch unbeirrt in disruptive Firmen investieren, die morgen unsere Welt verändern werden. Auch für Anleger sollten also nicht Schlagzeilen zu Unicorns, sondern solche zu härteren Zeiten ein Indiz für den richtigen Einstiegszeitpunkt in Venture sein.