Fahrdienstvermittler

Didi fährt an die New Yorker Börse

Chinas Pendant zum Uber-Fahrdienst, Didi Chuxing, stemmt in New York einen der größten Börsengänge im Technologiesektor der vergangenen Jahre. Die Marktbewertung bleibt hinter den Erwartungen.

Didi fährt an die New Yorker Börse

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Der chinesische Fahrdienstvermittler und Technologiekonzern Didi Global drängt mit einem 4,4 Mrd. Dollar schweren Initial Public Offering (IPO) an die New Yorker Börse und scheint mit einer ansehnlichen Erstnotizprämie die ungebrochene Begeisterung des Wall-Street-Publikums für chinesische Börsenneulingen aus dem Technologiesektor zu dokumentieren. Mit gut 4 Mrd. Dollar Kapitalaufnahme wird Didi zwar als bislang zweitgrößtes chinesisches IPO im US-Markt nach dem E-Commerce-Riesen Alibaba in die Annalen eingehen, von einem Triumphzug kann allerdings trotz ansehnlicher Performance zum Handelsstart nicht die Rede sein.

Tatsächlich nämlich hat das Tech-Unternehmen, das seit Jahren das chinesische Fahrdienstgeschäft mit einem Marktanteil von rund 90% klar dominiert, eine Holperstrecke mit langen Umwegen hinter sich gebracht, um nun endlich an der New York Stock Exchange (Nyse) Börsenunterschlupf zu finden. Die 2012 gegründete und vom Entrepreneursduo Will Cheng (Chairman) und Jean Liu (President) angeführte Gesellschaft hat ein Sammelsurium von illustren Investoren im Rücken.

Neben den chinesischen Tech-Platzhirschen Tencent und Alibaba und der japanischen Softbank Group mit ihrem Vision genannten Technologiefonds ist auch der US-Fahrdienstriese Uber mit im Boot. Dieser war anfangs mit einem eigenen China-Geschäft gegen Didi angetreten, hatte nach einem immer mörderischeren Preiskampf dann aber im Jahr 2016 die Waffen gestreckt und Uber China gegen Einräumung einer Beteiligung von 12,8% an der erweiterten Gesellschaft bei Didi eingebracht.

Enttäuschte Erwartungen

Die insgesamt 32 bei Didi bereits engagierten Investoren werden mit dem Börsenauftritt nun zwar Kasse machen können, sehen ihre über Jahre hinweg genährten Erwartungen für eine galaktische Marktbewertung aber sicherlich enttäuscht. Vor wenigen Wochen erst wurden das Gründerteam und seine Berater beim Sondieren der Investorenresonanz auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. So war man mit der Hoffnung angetreten, auf eine ähnlich hohe Marktbewertung wie gegenwärtig Uber und damit auf eine Größenordnung von rund 100 Mrd. Dollar zu kommen. Tatsächlich aber landet man nach Maßgabe des Emissionspreises von 14 Dollar je Aktie bei etwa 67 Mrd. Dollar und damit auf einem Bewertungsniveau, das Didi bereits nach Abschluss ihrer letzten Finanzierungsrunde zum Einwerben frischen Kapitals im Jahr 2019 erreicht hatte. Damit ist es einem der weltgrößten Start-up-Unternehmen binnen der letzten zwei Jahre keineswegs gelungen, die Marktteilnehmer in Schwingung zu versetzen und durch den Börsengang per se Bewertungsfantasie zu generieren.

Nun wird es in Zukunft darum gehen, latente Bedenken der Anleger zu den längerfristigen Perspektiven und der strategischen Marschrichtung von Didi zu zerstreuen. Auf der einen Seite kann Didi in ihrem chinesischen Kerngeschäft seit zwei Jahren positive Ebitda-Ergebnisse aufweisen. Im ersten Quartal dieses Jahres schoss der operative Gewinn mit dem chinesischen Fahrdienst um das Sechsfache auf 3,6 Mrd. Yuan (468 Mill. Euro) in die Höhe. Die Umsätze verdoppelten sich in der Periode auf 42,2 Mr. Yuan. Das noch stark im Aufbau befindliche internationale Geschäft in mittlerweile 15 Ländern schrieb jedoch Verluste über rund 1 Mrd. Yuan. Didi gibt sich allerdings nicht mit einer Existenz als reiner Fahrdienstleister zufrieden und will zum einen im Bereich des autonomen Fahrens als Technologieentwickler und Dienstanbieter mitwirken und zum anderen die Didi-App mit zusätzlichen Funktionen anreichern, zu denen insbesondere auch E-Commerce-Geschäft und Auslieferungsdienste gehören sollen. Damit befindet man sich erneut in einem Bereich, der einen enormen Cashverbrauch zeitigt und entsprechend hohe Anlaufverluste mit sich bringt. So haben die übrigen Aktivitäten von Didi zuletzt im ersten Quartal mit einem Verlust von 8,1 Mrd. Yuan zu Buche geschlagen.

Bei der Bewertung von Didi schwingt auch einige Unsicherheit über eine laufende Kampagne der chinesischen Regierung mit, die versucht, die Marktmacht von führenden Technologiekonzernen einzugrenzen. Didi steht auf einer Liste von gut 30 großen Techfirmen, die von Peking wegen monopolistischen Verhaltens und marktfeindlicher Praktiken näher untersucht und im Zweifelsfall hart abgestraft werden. Am härtesten hat es bislang den Online-Handelsriesen Alibaba er­wischt, dem eine Rekordbuße über 2,8 Mrd. Dollar aufgebrummt wurde. Auch Didi wurde im März wegen unlauterer Preisstrategien angegangen, musste letztlich aber nur umgerechnet 200000 Euro berappen. Allerdings weist Didi im Börsenprospekt darauf hin, dass man weiter im Fadenkreuz der chinesischen Marktregulatoren steht und sich möglicherweise wesentlich unangenehmeren Auflagen zur Begrenzung der Marktmacht oder Geldbußen wegen Fehlverhaltens gegenübersieht.