Siemens

Die Tür zum Mittelstand öffnet sich

Der Mittelstand ist das wirtschaftliche Rückgrat Deutschlands. Siemens war jedoch bisher unterdurchschnittlich bei kleineren Unternehmen vertreten. Das Abo-Modell für Software soll dies ändern.

Die Tür zum Mittelstand öffnet sich

Von Michael Flämig, München

Der Kurswechsel war gewagt, doch Siemens ist nach eigener Einschätzung erfolgreich. Denn das neu eingeführte Abo-Modell in der Kernsparte Digital Industries, mit dem Software as a Service (SaaS) in der Cloud angeboten wird, komme an, erklärte Vorstandsvorsitzender Roland Busch im August anlässlich der Präsentation der Zahlen des dritten Quartals: „Die Kunden wechseln gerne zum neuen SaaS-Modell.“ In den ersten neun Monaten hätten sich 2350 Kunden für diese Variante entschieden. Seit Geschäftsjahresbeginn offeriert Siemens derartige Abos – lässt den Kunden aber die Wahlfreiheit, stattdessen wie bislang üblich Software­lizenzen zu erwerben (vgl. BZ vom 19. Januar).

Siemens unterscheidet in der Berichterstattung über das DI-Softwaregeschäft zwischen elektronischer Designautomatisierungssoftware (EDA), die für das Herstellen und Prüfen von Halbleitern eingesetzt wird, und den übrigen Softwareangeboten. Nur das letztere Geschäft, das ungleich mehr Kunden hat und Software für das Produktlebenszyklusmanagement (PLM) be­reitstellt, ist nun als SaaS im Angebot. Von den erneuerten PLM-Verträgen beruhen laut Siemens im dritten Quartal 76% auf dem SaaS-Modell.

Busch beobachtet eine zunehmende Dynamik im Vertrieb. „Wir sehen, dass wir wirklich in Schwung kommen“, erklärte er im Gespräch mit Analysten. Im ersten Quartal des Geschäftsjahres hätten sich 450 Kunden für das Abo-Modell entschieden, im zweiten Quartal seien es 800 und in den darauffolgenden drei Monaten 1100 gewesen (siehe Grafik). Das SaaS-Vertragsvolumen inklusive von Hybridvarianten sei von 88 Mill. Euro über 150 Mill. Euro auf 170 Mill. Euro emporgeschnellt.

Zahlreiche Neukunden

Wichtiger als diese Zahlen, die zudem angesichts geschätzt Hunderttausender PLM-Kunden von Siemens steigerungsfähig sind, ist ein anderer Erfolg: Der Konzern beginnt stärker in das Segment der kleineren und mittleren Unternehmen vorzudringen. 69% der SaaS-Kunden im dritten Quartal hätten demnach bereits aus dieser Klientel bestanden, erklärte Busch.

Sie greifen schneller zu dem Cloud-Abo als zu der bisher üblichen aufwendigeren Lizenz. Siemens-Vorstand Cedrik Neike hat als Devise ausgegeben, den Siemens-Marktanteil bei kleinen und mittleren Unternehmen von 20% auf jene 40% zu erhöhen, die der Konzern bei großen Unternehmen hat.

Ein weiterer Erfolg aus Siemens-Sicht: Der Anteil der Neukunden sei von Quartal zu Quartal gestiegen und habe nun 58% betragen, heißt es ergänzend in München. Damit winkt mittelfristig Wachstum. Zudem ist Siemens zufolge gegenüber dem Vorjahresquartal der jährlich wiederkehrende Umsatz, der in der Softwarebranche mit dem Label Annual Recurring Revenue (ARR) belegt wird, um 13% gestiegen. Im Cloud-Geschäft würden nun 12% der Erlöse mit der ARR-Variante gemacht, berichtete Busch.

Das Management wird jedoch auch nicht müde, die Kehrseite der Abo-Vertriebserfolge klarzustellen. „Mehr ARR bedeutet gleichzeitig weniger Umsatz und Profitabilität im abgelaufenen Quartal für das PLM-Geschäft“, erklärte Busch. Daher sei der Umsatz im PLM-Geschäft gegenüber dem Vorjahresquartal um 6% gesunken, sagte Finanzvorstand Ralf Thomas. Zwar legten die EDA-Erlöse um 20% zu, in der Summe steht jedoch ein Plus im DI-Softwaregeschäft von nur 3%. Die Marge sank um 2 Prozentpunkte auf 18,3%. Die Investitionen in Cloud-Technologien hätten dabei die Marge um 1,5 Punkte gesenkt, erklärte Thomas. Dass die Umstellung auf ARR den Umsatz und die Marge drückt, weil die Erlöse auf mehrere Jahre verteilt werden, ist aus Sicht von Siemens kein Problem. Denn: Das Softwaregeschäft wird in Krisen weniger schwanken, außerdem kann es in einer Cloud-Umgebung kostengünstig skaliert werden.

Luft nach oben

Insgesamt ist Busch mit dem Softwaregeschäft, für dessen Aufbau der Konzern allein in Form von M&A seit dem Jahr 2007 rund 12 Mrd. Euro ausgegeben hat, sehr zufrieden. Die digitalen Geschäfte sollen bis zum Jahr 2025 um 10% per annum wachsen, so lautet die Vorgabe. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir das 10-Prozent-Ziel für 2022 übertreffen“, erklärte er vor wenigen Tagen. In den ersten neun Monaten seien 4,7 Mrd. Euro erreicht worden.

Trotzdem: Der Weg ist weit, bis Hard- und Software bei Siemens in einer gewissen Balance sind. Jene 4,7 Mrd. Euro sind lediglich 9% des Konzernumsatzes in den ersten neun Monaten. Selbst in der Vorzeigesparte DI betrug der Software-Anteil im dritten Quartal nur 24% der insgesamt erlösten 4,9 Mrd. Euro.

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