Gastgewerbe

Hotels und Restaurants fürchten um ihre Existenz

Das deutsche Gastgewerbe kann sich über die Umsatzverdoppelung im ersten Halbjahr 2022 nur mäßig freuen. Erstens ist die Branche noch längst nicht da angekommen, wo sie vor der Krise war. Und zweitens sind die Aussichten angesichts der galoppierenden Preise erneut äußerst trübe.

Hotels und Restaurants fürchten um ihre Existenz

kro Frankfurt

Das Ende der Corona-Schutzmaßnahmen hat sich für das zunehmend inflationsgeplagte deutsche Gastgewerbe im ersten Halbjahr 2022 zumindest als kleiner Segen erwiesen. Hotels und Restaurants verzeichneten nach ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamts mit einem preisbereinigten Zuwachs von 98,5 % fast doppelt so hohe Umsätze wie im Vorjahr. Auf nominaler Basis legten die Erlöse erwartbar noch kräftiger zu.

Mit Blick auf die Regelungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie lassen sich die Zeiträume allerdings kaum vergleichen. So waren die ersten fünf Monate des vergangenen Jahres vielfach von Lockdowns geprägt. In diesem Jahr traten die ersten Lockerungen dagegen bereits im Februar in Kraft. Die Hoteliers und Restaurantbetreiber hatten also deutlich mehr Zeit, ihre Gäste zu bewirten und Umsatz zu machen. Das Vorkrisenniveau haben sie dabei aber trotzdem noch nicht erreicht. So liegen die Erlöse der ersten sechs Monate preisbereinigt noch immer um gut 22 % unterhalb des Wertes aus dem Jahr 2019. Besonders hoch fielen die Einbußen in dem Zeitvergleich in der Beherbergungsbranche und bei Cateringunternehmen aus. Und mit den unaufhaltsam steigenden Preisen für Energie, Lebensmittel und Personal ist die nächste Krise für die Branche schon längst da.

Verbraucher machen Abstriche

Die Lage ist „extrem herausfordernd“, erklärt Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga Bundesverband) anlässlich der vom Statistikamt veröffentlichten Zahlen. „Die Halbjahresbilanz zeigt, dass das dritte Verlustjahr in Folge droht.“

In einer gerade erst durchgeführten Umfrage hat der Verband die durchschnittlichen Kostensteigerungen in der Branche ermittelt. Demnach mussten die 3509 teilnehmenden Betriebe im Juli gegenüber dem Vorjahr 60 % mehr Geld für Gas aufbringen. Kein Wunder, das Fachblatt AHGZ („Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung“) schreibt, dass gerade Hotels häufig noch mit Gasheizungen ausgestattet sind.

Darüber hinaus machte sich die Teuerung natürlich auch noch an anderen Stellen bemerkbar: Für Strom stiegen die Kosten um 39 %, für Lebensmittel um 25 %, für Personal um 18 % und bei Getränken waren es 15 %.

Ein Ende der Preisspirale sei insbesondere bei den Energiekosten nicht absehbar, sagte Zöllick. Im Gegensatz zum verarbeitenden Gewerbe, das zwar auch unter steigenden Rohstoffpreisen leidet, diese aber vielfach an die Industriekunden weiterreichen kann, ist das Thema Preiserhöhung im Gastgewerbe ein ungleich sensibleres. Der „DeutschlandTrend für das ARD-Morgenmagazin“ hat gezeigt, dass die meisten Verbraucher ihr Kaufverhalten schon jetzt an die steigenden Preise anpassen − von 1273 befragten Bürgern gab die Hälfte an, im Freizeitbereich sparsamer zu sein und beispielsweise seltener Restaurants, Freizeiteinrichtungen oder Kinos zu besuchen.

Sorge um die Mehrwertsteuer

Die ungeklärte Frage über die künftige Festsetzung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie ist für die Branche in dem Zusammenhang ein weiteres Schreckgespenst. Denn damit drohen Restaurantbesuche künftig ganz unabhängig von den höheren Betriebskosten noch teurer zu werden. Im Zuge der Corona-Pandemie war der Satz im Juli 2020 von 19 % auf 7 % verringert worden − die Regel gilt nach einer Verlängerung im Februar 2021 zunächst bis Ende 2022. Damit wird nun seit ­zwei Jahren der gleiche Steuersatz erhoben wie für die Mitnahme von Speisen oder auch für Essenslieferungen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte zuletzt eine Verlängerung für 2023 vorgeschlagen. Nach Aussagen des Politikers hätten die Grünen jedoch Vorbehalte geltend gemacht.

Der Branchenverband Dehoga fordert allerdings nicht nur eine weitere Verlängerung, sondern eine dauerhafte Gleichbehandlung gegenüber der Konkurrenz aus Supermärkten und Bringdiensten. In 22 EU-Staaten werde das bereits so gehandhabt, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte einen solchen Schritt im Bundestagswahlkampf denn auch nicht ausgeschlossen. „Die Betriebe wissen jetzt schon kaum, welche Preiserhöhungen sie ihren Gästen überhaupt noch zumuten können“, sagte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges der Börsen-Zeitung. „Für die Zukunftssicherung der Restaurants und Cafés ist das Thema existenziell.“

Wertberichtigt Seite 6

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