Lebensmitteleinzelhandel

Ich geh Aldi, wo gehst Du?

Der Online-Supermarkt Ocado schwächelt. Die Pandemie ist vorbei. Jetzt zählt wieder der Preis, auch wenn dem Gang zu Aldi nicht der Chic einer Bestellung beim Internet-Einzelhändler anhaftet.

Ich geh Aldi, wo gehst Du?

Andreas Hippin, London

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Einer der größten Gewinner der Pandemie ist dieser Tage an der Börse unter die Räder gekommen: der Online-Supermarkt Ocado. Während der Lockdowns zur Eindämmung von Covid-19 war der Lebensmitteleinzelhändler, bei dem man im Internet bestellte und der einem dann die Ware nach Hause lieferte, für viele unverzichtbar. Hätte das Unternehmen seine Kapazität schnell hochfahren können, wäre sein Erfolg damals noch größer gewesen. Den Gründern schwante offenbar schon, dass es so nicht weitergehen würde. Sie drückten bereits 2020 die Hälfte des britischen Online-Supermarkts zum Premiumpreis an den von FOMO (Fear of Missing Out) geplagten Traditionskonzern Marks & Spencer ab, dem es über Jahre nicht gelungen war, eine tragfähige Online-Plattform aufzubauen. Seitdem verkauft sich Ocado als Logistik-Experte für den Einzelhandel. Ocado Retail wird als Experimentierfeld genutzt.

Wie weise diese Form des De-Risking war, zeigt sich nun. Die Pandemie ist vorbei, jetzt zählt wieder der Preis. Die britischen Verbraucher reagieren auf steigende Lebenshaltungskosten mit Disziplin beim Einkauf und dem Umstieg auf preisgünstigere Produktalternativen. Das gilt auch für Besserverdiener, die zum Teil bis heute aus dem Homeoffice arbeiten und besonders gerne auf Ocado zurückgegriffen haben. Der durchschnittliche Einkauf war bei Ocado Retail im dritten Quartal um 6 % kleiner. Steigende Kosten, vornehmlich für Spritkosten, Strom und Trockeneis, drücken auf die Marge des Gemeinschaftsunternehmens mit Marks & Spencer. Die Stromkosten hätten sich in etwa verdreifacht, klagt das Management. Für das laufende Geschäftsjahr rechnet Ocado Retail mit einem schrumpfenden Umsatz. Das operative Ergebnis (Ebitda) wird in der Nähe des Break-even erwartet.

Ganz anders sieht es dagegen bei einem Anbieter aus, der ein klassisches „Old Economy“-Geschäftsmodell pflegt. Aldi hat dem Marktforscher Kantar zufolge beim Marktanteil in Großbritannien die Supermarktkette Morrisons überrundet. Der Discounter ist damit unter die „Big 4“ in diesem Geschäft aufgestiegen, zu denen ansonsten Tesco, Sainsbury’s und Asda gehören. Die Verbraucher stimmen mit den Füßen ab, kommentierte Giles Hurley, der Chef von Aldi in Großbritannien und Irland, das Geschehen. Neben Aldi ist auch Lidl auf dem britischen Markt aktiv. Beide expandieren weiter – anders als ihre großen Rivalen. Kantar zufolge lag die Inflation der Lebensmittelpreise im August bei 12,4 %. Da ist es kein Wunder, wenn es künftig auch im Vereinigten Königreich immer öfter heißt: Ich geh Aldi, wo gehst Du? Die Price-Match-Kampagnen der Rivalen dürften diesen Trend nicht so schnell stoppen.

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