Grünes Label

Luftfahrt kämpft für Aufnahme in die EU-Taxonomie

Die Luftfahrtbranche kämpft für eine Aufnahme in die EU-Taxonomie. Bekommt der Sektor das grüne Label nicht, könnte das die Investitionsfähigkeit bremsen, so die Befürchtung.

Luftfahrt kämpft für Aufnahme in die EU-Taxonomie

Nach dem Streit um die Einbeziehung der Energieproduktion aus Gas- und Atomkraftwerken in die EU-Taxonomie erhitzt derzeit die Diskussion um den Stellenwert der Luftfahrt in diesem Regelwerk die Gemüter. Reuters meldete kürzlich, dass große Teile des Luftfahrt­sektors in eine aktualisierte Version der Nachhaltigkeits-Taxonomie der EU aufgenommen werden könnten, und verweist auf einen von der Nachrichtenagentur eingesehenen Dokumententwurf. Konkret soll es darum gehen, dass auch Fluggesellschaften und Flugzeughersteller einbezogen werden, während bisher nur die Airports berücksichtigt werden sollten.

Die EU-Taxonomie ist ein komplexes System zur Klassifizierung von Wirtschaftsbereichen, die als nachhaltig gelten sollen. Sie umfasst sowohl wirtschaftliche Aktivitäten als auch detaillierte Umweltkriterien, die von jedem Bereich erfüllt werden müssen, um ein grünes Label zu erhalten. Wird nun der Luftverkehr einbezogen, hilft das der Branche, Finanzmittel für klimafreundliche Investitionen zu erhalten. Kritiker sprechen in diesem Zusammenhang allerdings von einem „Greenwashing“ für die Luftfahrtbranche.

Im Vordergrund stehen bei den Fluggesellschaften auf ihrem Weg hin zur Klimaneutralität derzeit Ausgaben für neue Flugzeuge, die in der Regel deutlich weniger Treibhausgase emittieren als die älteren Vorgängermodelle. Ist die Luftfahrtbranche Teil der EU-Taxonomie, würden ihre Aktivitäten offiziell als nachhaltig gelten, was die Finanzierung für Investoren attraktiv machen würde. Im Umkehrschluss hätten die Fluggesellschaften vermutlich Schwierigkeiten, Geldgeber zu finden, wenn sie nicht unter das Taxonomiedach schlüpfen können.

„Übergangstätigkeit“

Damit eine wirtschaftliche Aktivität Aufnahme in die Taxonomie findet, muss sie „einen substanziellen Beitrag zur Stabilisierung der Treibhausgase in der Atmosphäre“ leisten, heißt es in der Verordnung. Nach Meinung der Klimaschutzorganisation Transport & Environment (T&E) ergibt sich daraus, dass konventionelle Flugzeuge auf keinen Fall unter die Taxonomie fallen können. „Die Taxonomie sollte Investitionen in einen wirklich grünen Luftverkehr lenken – das heißt in saubere Kraftstoffe und emissionsfreie Flugzeuge“,heißt es bei T&E. Ein mit fossilem Kerosin betriebenes Flugzeug, das nur wenige Prozent weniger umweltschädlich sei als ein Vorgänger, könne nicht in Nachhaltigkeitsberichten als grüne Investition auftauchen.

Die Platform on Sustainable Fi­nance, ein Beratergremium der EU-Kommission, spricht dagegen bei dem Flottenaustausch in der Luftfahrt, der durch die Taxonomie erleichtert werden könnte, von einer „Übergangstätigkeit“, die durchaus auch in das Regelwerk passen kann, da sie „den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft im Einklang mit einem Pfad zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau“ er­mögliche. Das Beratergremium hatte daher 2021 empfohlen, die Luftfahrtbranche in die Taxonomie aufzunehmen. Dem Vernehmen nach soll es dagegen in manchen der zuständigen EU-Gremien Widerstand gegeben haben. Dabei soll auch die umstrittene Aufnahme von Gas und Atomenergie in die Taxonomie eine Rolle spielen. Man will wohl tunlichst vermeiden, dass sich eine solche Kontroverse wiederholt.

Noch sind die Kriterien für eine Aufnahme der Luftfahrt in die Taxonomie en détail nicht bekannt. Gelten beispielsweise alle Investitionen in neue Flugzeuge als nachhaltig oder nur die, bei denen es konkret darum geht, ältere Maschinen, die einen höheren Kerosinverbrauch haben, durch neue, verbrauchsärmere Flieger ersetzen? Denn dienen die neuen Flugzeuge nur einem weiteren Wachstum, wird die Ökobilanz der jeweiligen Airline unterm Strich schlechter. Flottenwachstum soll daher nach Meinung von Klimaschützern kein nachhaltiges Investment sein. Nicht bekannt ist auch, wie es mit Investitionen in Sustainable Aviation Fuel (SAF) aussieht, dessen Einsatz mittelfristig den größten Beitrag zu einem klimafreundlicheren Flugverkehr leisten wird. Die Debatten laufen.

Die Luftfahrtbranche kämpft für die Aufnahme in die Taxonomie. Würde der Luftverkehr nicht einbezogen, würde das die Investitionstätigkeit in dem Sektor wohl ausbremsen, so Philipp Goedeking von der Vereinigung Impact on Sustainable Aviation. Das hätte globale Folgen. Für europäische Banken und Leasinggeber würde es zunehmend schwierig, neue Flugzeuge zu finanzieren. Der Ausfall der Europäer wiederum würde Leasing und Kredite zum Flugzeugkauf auch weltweit verteuern.

Im Wettbewerb abgehängt

Europas Luftfahrtbranche fürchtet, im globalen Wettbewerb abgehängt zu werden, wenn etwa Investitionen teurer würden als in anderen Regionen und zudem weitere Umweltauflagen für finanzielle Belastungen sorgten. Am Ende schade das auch der Umwelt, so die Befürchtung. Schon im Zusammenhang mit dem europäischen Klimapaket „Fit for 55“ und den dort festgelegten Zielen für die Luftfahrtbranche hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr vor dem sogenannten „Carbon Leakage“ gewarnt: „Der CO2-Ausstoß des Luftverkehrs würde sich verlagern und nicht reduzieren.“

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