Pharmaindustrie

Novartis sucht die Wachstumsformel

Novartis-Chef Vasant Narasimhan preist sein neues Organisationsmodell an. Doch die Investoren reagieren eher verhalten.

Novartis sucht die Wachstumsformel

dz Zürich

Vasant Narasimhan gönnt Novartis keine Ruhe. Noch bevor die wichtige Frage über die Zukunft der Generika-Division Sandoz geklärt ist, kündigt der Novartis-Chef bereits den nächsten organisatorischen Einschnitt an. Die Onkologie-Sparte, die Narasimhans Vorgänger Joseph Jimenez 2016 zu einem separaten Geschäftsbereich gemacht hatte, wird in die Pharmadivision zurückintegriert. Danach soll die integrierte Pharmadivision in zwei operativ selbstständige geografische Divisionen aufgetrennt werden. Das US-Geschäft, das 2021 mit einem Umsatz von 15 Mrd. Dollar 36% zu den Gesamtverkäufen von Novartis beigetragen hatte, kommt unter die Führung des bisherigen US-Pharmachefs Victor Bulto. Er erhält in seiner Region nun auch die Verantwortung für das Geschäft mit Krebstherapien.

Einen noch größeren Karriereschritt macht Marie-France Tschudin, die erst 2019 vom US-Konkurrenten Celgene zu Novartis gestoßen war. Die in Frankreich geborene, in Portugal und Brasilien aufgewachsene und unter anderem an der Westschweizer Kaderschmiede IMD Lausanne zur Managerin ausgebildete Ökonomin mit Schweizer Pass erhält neu die Zuständigkeit für das ganze Pharmageschäft von Novartis außerhalb der USA. Das entspricht einem Jahresumsatz (2021) von rund 28 Mrd. Dollar beziehungsweise einem Anteil am Gesamtgeschäft in Höhe von 64%.

Über die Klinge springen muss die bisherige Onkologie-Chefin Susanne Schaffert. Narasimhan hatte die 54-jährige Deutsche erst Anfang 2019 zur Leiterin dieser Sparte erhoben. Auch der bisherige globale Forschungschef John Tsai und der für die globale Organisation der Produktionsstätten zuständige Robert Welteverden werden verabschiedet.

Narasimhan sagt, Novartis könne sich unter dem neuen Organisationsmodell „noch stärker auf ihre therapeutischen Kerngebiete (…) ausrichten“. Er fügte hinzu, das Organisationsmodell sei ein „zentraler Bestandteil unserer Wachstumsstrategie“, denn es mache Novartis agiler, wettbewerbsfähiger, fokussierter und effizienter. Zu der Ansage passt Narasimhans Vorgabe, die „organisatorischen Verbesserungen“ führten in den nächsten Jahren zu einem durchschnittlichen Umsatzwachstum von 4% pro Jahr beziehungsweise zu einer besseren Entwicklung der Gewinnmarge. So verspricht Novartis Einsparungen bei den Vertriebs- und Gemeinkosten von „mindestens“ 1 Mrd. Dollar pro Jahr. Obschon der Umbau zweifellos auch zu einem größeren Stellenabbau führen wird, macht Novartis dazu keine Aussagen.

Onkologie hinkt hinterher

Eine andere Leseart als diejenige, die Narasimhan für seine jüngste Umstrukturierung präsentiert, könnte die über alles gesehen enttäuschende Entwicklung der Onkologie-Sparte sein, die Jimenez im Frühjahr 2016 aus der Pharmasparte ausgegliedert hatte, um den Wachstumsambitionen des Roche-Rivalen in diesem Bereich mehr Nachdruck zu verschaffen. Doch das Onkologie-Geschäft von Novartis ist seit 2016 nur gut halb so stark gewachsen wie das restliche Pharma-Geschäft. Mit einem Umsatz von 15,5 Mrd. Dollar war es 2021 ein Viertel kleiner als jenes von Roche. Hoffnungsträger wie die neuartige T-Zellen-Therapie „Kymriah“ zur Behandlung von Leukämie haben die hohen Erwartungen nicht erfüllt. Dementsprechend ratlos zeigten sich am Montag auch die Investoren. Die Novartis-Aktien avancierten zwar um mehr als 1% auf über 81 sfr, aber die Roche-Titel legten deutlich stärker zu.