Datenanalyse

Rekordhalbjahr für Private-Equity-Deals in Europa

Private-Equity-Investoren haben in der ersten Hälfte dieses Jahres in Europa so viel investiert wie noch nie. Das Transaktionsvolumen erreicht bis Ende Juni 155,8 Mrd. Dollar

Rekordhalbjahr für Private-Equity-Deals in Europa

cru Frankfurt

Private-Equity-Investoren haben in der ersten Hälfte dieses Jahres in Europa mehr investiert als je zuvor seit Beginn der Statistik im Jahr 1980. Das Volumen der angekündigten Deals stieg von 59,1 Mrd. Dollar in der ersten Hälfte 2020 auf 155,8 Mrd. Dollar im ersten Semester dieses Jahres. Die Anzahl der Transaktionen schnellte von 991 auf 1585 nach oben. Das geht aus Daten hervor, die das Analysehaus Refinitiv für die Börsen-Zeitung zusammengestellt hat.

Global investierten Finanzinvestoren wie Blackstone, KKR oder Ardian im selben Zeitraum 513 Mrd. Dollar in Unternehmensbeteiligungen – auch das ein Rekordwert. Damit gingen rund 30% der gesamten investierten Summe nach Europa. Die Private-Equity-Deals haben auch dazu beigetragen, das globale M&A-Volumen auf einen Rekordwert von rund 2,8 Bill. Dollar (+129%) zu treiben.

Angetrieben wird der Kaufrausch der Private-Equity-Häuser von ihren vollen Kassen. Die Kapitalzusagen („Dry Powder“) der Investoren, die auf der Suche nach Rendite immer stärker auf Private Equity setzen, haben den Rekordstand von 1,5 Bill. Dollar getrieben. Der offene Geldhahn der Notenbanken und die billionenschweren staatlichen Konjunkturprogramme sorgen zusammen mit schon als übertrieben geltenden Aktienkursbewertungen an der Börse und niedrigen Anleiherenditen für einen steten Zustrom der Anlagegelder, die für nicht börsennotierte Un­ternehmensbeteiligungen vorgesehen sind. Als global aktivsten Finanzinvestor hat Blackstone zuletzt den Konkurrenten KKR abgelöst, der im vergangenen Jahr mitten in der Krise eine große Einkaufstour durchgezogen hatte. Blackstone ist an drei der global zehn größten Private-Equity-Deals beteiligt gewesen, darunter der Kauf der italienischen Autobahnen Autostrade von Atlantia und der Kauf des US-Gesundheitssektorausrüsters Medline.

Die größte Private-Equity-Transaktion in Europa war den Daten von Refinitiv zufolge die Übernahme von Teilen des französischen Abfall- und Wasserkonzerns Suez für 12,5 Mrd. Dollar durch ein Konsortium aus drei Finanzinvestoren. Im März hatte Suez im Ringen um die feindliche Übernahme durch den Konkurrenten Veolia verlangt, die Offerte anzuheben und Teile des Geschäfts an die französischen Investmentgesellschaften Meridiam und Ardian sowie an die US-Private-Equity-Gesellschaft Global Infrastructure Partners zu verkaufen. Suez musste letztlich Abstriche an der Ausgliederung machen: Anstelle des vorgeschlagenen Umsatzvolumens von 9,1 Mrd. Euro sollen es nur 7 Mrd. Euro werden – von insgesamt 17 Mrd. Euro.

Als zweitgrößter angekündigter Deal steht auf der Refinitiv-Liste für Europa der Versuch der Übernahme der britischen Supermarktkette WM Morrison, um die ein Bieterwettstreit zwischen gleich drei Finanzinvestoren entbrannt ist: Erst legte Clayton Dubilier & Rice eine Offerte vor, dann Fortress und bald vielleicht auch noch Apollo. Es geht um rund 12 Mrd. Dollar Transaktionswert.

Platz 3 auf der Liste der größten Deals belegt der schwedische Schädlingsbekämpfungsspezialist Anticimex aus Stockholm mit einem Transaktionswert von 7,3 Mrd. Dollar inklusive Schulden. Der schwedische Finanzinvestor EQT hat den Eigentümerkreis erweitert. Nach dem eigenen Fonds EQT VI gehört das 1934 gegründete Unternehmen nun einem Konsortium, das neben EQT selbst noch mehrere Langfristinvestoren umfasst, darunter Melker Schörling als zweitgrößten Eigentümer. Der größte Private-Equity-Deal in Deutschland 2021 ist auf der Liste von Refinitiv nicht vertreten, weil der Transaktionswert nicht veröffentlicht wurde. Doch ist es ein offenes Geheimnis, dass der Sandalenhersteller Birkenstock im Wert von 4 Mrd. Euro mehrheitlich durch die Gründerfamilie verkauft wurde. Käufer sind der französische Milliardär Bernard Arnault mit seinem Private-Equity-Arm Financière Agache und der US-Investor L Catterton.

Ein Ende des Kaufrausches der Finanzinvestoren in Europa ist nicht absehbar. KKR hat gerade 2,2 Mrd. Dollar für einen neuen Immobilienfonds eingesammelt, der angesichts der endenden Lockdowns nach Kaufobjekten in ganz Europa sucht. Der zweite dedizierte Immobilienfonds der Private-Equity-Firma hat bereits mehr als 700 Mill. Dollar in Wohnhäuser und Lagerhallen investiert – zwei Bereiche, die sich als widerstandsfähig gegen die Pandemie erwiesen haben, teilte KKR mit. Der Fonds versucht auch Gastgewerbeimmobilien zu kaufen, die von den Beschränkungen betroffen sind, und Büros zu bauen, die nach Covid geeignet sind. „Wir glauben, dass Europa ein attraktives Investitionsumfeld für Immobilien darstellt“, sagte Ralph Rosenberg, Partner und globaler Leiter von KKR Real Estate.