Hauptversammlung

Scheifele schafft Wahl in Aufsichtsrat nur ziemlich knapp

Institutionelle Investoren sehen den Wechsel des langjährigen Vorstandschefs Bernd Scheifele an die Aufsichtsratsspitze mit Skepsis. Die Karenzzeit von zwei Jahren wird aber eingehalten.

Scheifele schafft Wahl in Aufsichtsrat nur ziemlich knapp

hek Frankfurt

Der Wechsel des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Bernd Scheifele in den Aufsichtsrat von Heidelberg Cement stößt unter Investoren auf breiten Widerstand. In der virtuellen Hauptversammlung kam der Ex-CEO nur auf eine Zustimmungsquote von 53,4% und erreichte damit relativ knapp die erforderliche einfache Mehrheit.

Für die Fondsgesellschaft Deka Investment sind ehemalige Vorstände nicht als unabhängig anzusehen. Sie sollten daher nicht als Aufsichtsratsvorsitzende fungieren. „Andernfalls kann der Aufsichtsrat seiner Funktion als unabhängiges Aufsichtsorgan nicht mehr ausreichend entsprechen“, gibt die Deka-Spezialistin für Nachhaltigkeit und Corporate Governance, Cornelia Zimmermann, zu Bedenken. Auch die Fondsgesellschaft DWS hält den Wechsel des früheren CEO an die Aufsichtsratsspitze für problematisch. Sie begründet ihre Ablehnung auch mit Scheifeles sonstigen Mandaten. Der 1958 geborene Manager leitet den Aufsichtsrat von Phoenix Pharma und der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck und gehört außerdem dem Kontrollgremium von Springer Nature an.

Scheifele stand von Anfang Februar 2005 bis Ende Januar 2020 an der Spitze des Heidelberg-Cement-Vorstands. Die vorgeschriebene Karenzzeit von zwei Jahren ist somit abgelaufen.

Außerdem wählten die Aktionäre Sopna Sury, bei RWE Generation für das Wasserstoffgeschäft verantwortlich, in den Aufsichtsrat. Sie ersetzen Fritz-Jürgen Heckmann, der 17 Jahre das Kontrollgremium leitete, und Tobias Merckle, Bruder des Großaktionärs Ludwig Merckle, der über seine Spohn Cement Beteiligungen 27,46% an Heidelberg Cement hält.

Die drei Zementwerke in Russland werde Heidelberg Cement weiter betreiben, weil sie sonst höchstwahrscheinlich enteignet würden, kündigte Heckmann gleich zu Beginn des Aktionärstreffens an. Der Umsatzanteil Russlands liegt bei 1%. Die Werke produzieren für den lokalen Markt. CEO Dominik von Achten ergänzt, dass Heidelberg Cement alle Investitionen in das russische Geschäft eingefroren habe. Die Sanktionen gegen das Land würden voll unterstützt. Die Anlagen in der Ukraine hat Heidelberg Cement 2019 verkauft.

Zu schaffen machen dem Baustoffhersteller die „historisch hohen Energiepreise“, wie von Achten sagt. Im ersten Quartal 2022 habe sich Kohle um gut 200 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verteuert. Der Strompreis in Deutschland sei um 274 % gestiegen, der Rohölpreis um 60 %. Das Unternehmen reagiere mit Preiserhöhungen und Kosteneffizienz.

Zahlreiche Fragen drehten sich um steigende Umweltanforderungen. Insbesondere die Zementherstellung geht mit sehr hohen CO2-Emissionen einher. Die DWS moniert, dass eine nachhaltigkeitsbezogene Zielgröße in der langfristigen variablen Vergütung fehle. Daher werde der Vergütungsbericht abgelehnt.

Anlagen für CO2-Abscheidung

Deka-Vertreterin Zimmermann gibt in ihrem schriftlichen Statement zu bedenken, dass Anlagen zur Abscheidung von Kohlendioxid noch sehr kostspielig seien. Sie plädiert für kostengünstigere Technologien und weitere Werkzeuge zur CO-Minderung, „von alternativen Materialien bis hin zum Recycling“. Die CO-reduzierte Betonsorte Ecocrete komme „mit etwas Verspätung“, biete aber die Chance, Nachhaltigkeit als Qualitätsmerkmal zu vermarkten.

Von Achten hebt hervor, dass Ecocrete voll recycelbar sei und mit bis zu 66 % CO2-Reduktion einhergehe. Das Produkt sei ein „Riesenaufschlag“ der deutschen Organisation. Das Carbon-Capture-Projekt im norwegischen Brevik werde 2024 in Betrieb gehen. Es sei die weltweit erste Anlage im industriellen Maßstab zur CO2-Abscheidung in der Zementindustrie. Weitere Projekte laufen in Edmonton (Kanada), Padeswood (Großbritannien) und Slite (Schweden). In die Finanzierung der Abscheideanlagen werden laut Finanzchef René Aldach Subventionen durch Dritte wie den jeweiligen Staat und die EU einkalkuliert. Auf der Hauptversammlung waren 75 % des Grundkapitals vertreten.

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