Martin Daum und Jochen Götz

„Unsere Entschlossenheit ist nun besser zu sehen“

Am 10. Dezember will die Daimler Truck AG an die Börse. Vorstandschef Martin Daum (62) und Finanzvorstand Jochen Götz (50) versprechen den Aktionären mit diesem Schritt zusätzliche Transparenz.

„Unsere Entschlossenheit ist nun besser zu sehen“

Joachim Herr

Herr Daum, das Management von Daimler Truck wirkt sehr entschlossen und hat sich ambitionierte Margenziele gesteckt. Setzt die Selbständigkeit nach der Abspaltung mehr Energie und Zielstrebigkeit frei?

Daum: Nein, aber die Öffentlichkeit sieht unsere Entschlossenheit und Zielstrebigkeit nun besser. Energie und Zielstrebigkeit waren schon immer da.

Was hat Sie dann bisher daran gehindert zu verlangen, dass jede Region ihr Renditeziel erreichen muss?

Daum: Dass wir eine höhere Profitabilität anstreben, ist nicht neu. Das haben wir intern längst klar kommuniziert, und daran arbeiten wir seit geraumer Zeit auch schon sehr intensiv. Es dauert im Nutzfahrzeugbereich immer etwas, bis man die Ergebnisse sieht.

Götz: Wir haben schon im November 2019, also vor der Entscheidung für eine Abspaltung, einen klaren Plan aufgelegt, wie wir die Rendite steigern wollen. Diese zusätzliche Transparenz, die die Börsennotierung mit sich bringt, hilft nun sicherlich, aber die entscheidenden Themen haben wir längst adressiert.

Warum hat sich Mercedes-Benz Trucks bisher eine so weitgefächerte Produktpalette geleistet und jetzt die Zahl der Basismodelle erheblich von 140 auf 100 verringert?

Götz: Die Baumuster zu reduzieren ist nicht ein Prozess, der über Nacht passiert. Man muss sich zum Beispiel die Bedürfnisse der Kunden sehr genau anschauen. Dass wir heute Früchte ernten, ist der Tatsache geschuldet, dass wir mindestens seit 2019 intensiv daran arbeiten.

Hat Karin Råd­ström, die Sie von Scania abgeworben haben und die im Vorstand für Europa und Brasilien sowie Mercedes-Benz Trucks zuständig ist, eine andere Unternehmenskultur und mehr Leistungsorientierung zu Daimler Truck gebracht?

Daum: Wir haben bewusst einen Kulturwandel anstoßen wollen. Deshalb hat der Aufsichtsrat eine Vorstandskollegin von extern eingestellt, wie wir auch vor zwölf Jahren in den USA einen Wandel angestoßen haben. Wir wollen die deutlich stärkere Kunden- und Marktorientierung, die uns in den USA erfolgreich macht, nun überall zum Tragen bringen, und da hat es sich angeboten, jemanden von einem sehr erfolgreichen Wettbewerber zu holen. Wir sind froh, dass Frau Rådström Teil unseres Teams ist, es haben sich alle Erwartungen erfüllt.

Scania und Volvo setzen die Maßstäbe in der Lkw-Industrie, zumindest was die Profitabilität angeht. Was machen die Schweden besser?

Daum: Ich würde auch Paccar und Daimler Truck Nordamerika in der Gruppe sehen. Es geht immer um gute Produkte, klare Kundenorientierung und einen dauerhaften Fokus auf die Kosten. Jetzt sind wir bei Daimler Truck dabei, das auf der ganzen Welt auszurollen – und wie gesagt nicht erst seit gestern.

Frau Råd­ström deutete an, dass es in Europa und Brasilien an der Effizienz hapert – auch wegen des großen Produktportfolios. Könnte sich Daimler irgendwann ganz auf Schwerlaster mit 16 oder mehr Tonnen Gesamtgewicht konzentrieren?

Daum: Nein. Alle Wettbewerber haben ein Portfolio ab zehn Tonnen. Wichtig ist, die Größenklassen miteinander zu verzahnen. Und es ist immer die Frage, wo investieren wir. Da werden wir uns stärker auf den Schwerlastverkehr fokussieren.

Das bringt Ihnen höheren Margen. Herr Götz, für das kommende Jahr sind Sie recht optimistisch. Wie stark werden höhere Verkaufspreise zum erwarteten deutlichen Umsatzwachstum beitragen?

Götz: Je nach Region haben wir sehr unterschiedliche Preisstellungen. In den USA zum Beispiel haben wir langjährige Lieferverträge. Aber es wird deutliche Preiserhöhungen geben und geben müssen. Denn die Preise von Rohmaterial, besonders von Stahl, sind deutlich gestiegen. Und das wird voraussichtlich 2022 weitergehen.

Werden Sie mit Ihren Erhöhungen die Preissteigerungen vollständig ausgleichen können?

Götz: Es gibt einen nachlaufenden Effekt. Unsere Auftragsbücher sind gut gefüllt, da lassen sich Preise nun nicht mehr erhöhen. Wir gehen davon aus, dass eine Kompensation erst im Jahr 2023 erfolgen kann.

Wird im nächsten Jahr der Absatz trotz des Halbleitermangels wachsen?

Daum: Wir werden jedes Auto, das wir produzieren, verkaufen können. Da brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Wir könnten noch deutlich mehr verkaufen, wenn wir genügend Halbleiter hätten.

Götz: In unserer Guidance für 2022 sind Lieferengpässe berücksichtigt. Sollte sich das im nächsten Jahr komplett erledigen, gibt es ein klares Aufwärtspotenzial.

Wird der angestrebte Anstieg der bereinigten Ebit-Marge 2022 vor allem dank weiterer Kostensenkungen gelingen?

Götz: Nein, nicht nur. In diesem Jahr steigen die Rohstoffpreise stärker als unsere Verkaufspreise. 2022 wird sich das voraussichtlich ändern. Und ja, wir arbeiten an unseren Kosten und haben 2021 viel erreicht. Einmalige Maßnahmen im vergangenen Jahr wie Kurzarbeit wurden durch strukturelle Maßnahmen ersetzt. Damit haben wir ein gutes Kostenniveau. Hinzu kommt: Die schweren Lkw in Nordamerika und Europa, quasi unsere S-Klasse, trifft der Halbleitermangel besonders. Wir erwarten, dass sich das mittelfristig normalisiert. Das ist auch ein großer Treiber für einen Anstieg von Umsatz und Ergebnis.

Zurück zu den Margenzielen für 2025: Was wird passieren, wenn eine Region oder Geschäftseinheit ihr Renditeziel nicht erreicht? Muss dann der zuständige Vorstand gehen?

Daum: Ich hoffe, dass wir es nie so weit kommen lassen und nicht erst 2025 merken, dass die Margenziele nicht erreicht werden. Wir sind sehr intensiv mit jeder Geschäftseinheit im Gespräch und schauen uns die konkreten Maßnahmen genau an.

Aus einer bereinigten Ebit-Marge lässt sich manches ausklammern. Wie aussagekräftig ist diese Größe überhaupt?

Götz: Es gibt immer Dinge, die einen einmaligen Charakter haben. Aber entscheidend ist, sich auf die großen Themen zu fokussieren. Am Ende wird die Dividende von dem bezahlt, was auf dem Bankkonto ist. Da helfen keine Bereinigungen.

Daum: Wir haben uns mit den Renditezielen für die einzelnen Regionen und Segmente für eine Transparenz entschieden, die bisher keiner in unserer Branche bietet. Da wollen wir Maßstäbe setzen.

Herr Daum, Ihr Vorstandsvertrag endet im Februar 2025. Dann sind Sie 65 Jahre alt. Ist das der richtige Zeitpunkt um aufzuhören, da ja auch die Renditeziele bis 2025 erreicht werden sollen?

Daum: Ich konzentriere mich im Augenblick auf 2022. Fragen Sie mich im Jahr 2024 oder besser fragen Sie dann Joe Kaeser.

… den Aufsichtsratsvorsitzenden.

Daum: Über 2025 mache ich mir keine Gedanken. Hätten Sie mich vor vier Jahren gefragt, ob ich heute hier sitze und über unseren Spin-off spreche, hätte ich Ihnen auch keine Antwort geben können.

Zum Wandel in der Antriebstechnik: Daimler Truck setzt im Gegensatz zu Traton auf Batterie- und Wasserstoffantrieb. Ist es nicht zu teuer, zweigleisig zu fahren?

Daum: Für Daimler Truck hielte ich es für absolut fahrlässig, nur auf eine Technologie zu setzen. Das Entscheidende, was sich unsere Gesellschaft überlegen muss, ist, wie transportieren und lagern wir in Zukunft grüne Energie: über das Stromnetz und die Steckdose oder über den sehr energiereichen Wasserstoff.

Und wie lautet Ihre Antwort für Lkw?

Daum: Wenn grüne Energie in Form von Wasserstoff vorliegen wird, ist es deutlich effizienter, diese Energieform im Truck direkt in Bewegungsenergie umzusetzen als über den Umweg des Stromnetzes. Und wenn ich die Brennstoffzellen-Technologie nicht beherrsche und eines Tages der elektrische Strom und die Ladeinfrastruktur nicht ausreichen, um auch den Fernverkehr zu betreiben, dann hätte ich fahrlässig gegen die Zukunft unserer Firma gehandelt.

Immerhin teilen Sie sich die Kosten für die Brennstoffzelle mit Ihrem Joint-Venture-Partner Volvo.

Daum: Ja. Volvo hat den gleichen Gedanken, die gleiche Strategie und so haben wir schnell zusammengefunden. Mit dem Partner kostet es für jeden nur die Hälfte.

Welches sind die entscheidenden Variablen für die Kostenparität von Verbrennungs- und Elektromotor: Hat das die Industrie überhaupt in der Hand, oder hängt das nicht in erster Linie von den Rahmenbedingungen ab, die die Politik bestimmt?

Daum: Genau, so ist es. Entscheidend ist, was kostet eine Kilowattstunde Strom, Diesel und grüner Wasserstoff im Jahr 2025 oder 2030. Heute kostet grüner Wasserstoff zwischen 8 und 12 Euro pro Kilogramm. Kritiker sagen, Wasserstoff ist der Champagner der grünen Energie. In der Tat, Champagner muss preislich zum Sprudel werden, um in diesem Bild zu bleiben. Je nachdem, wie die Energieindustrie das bewältigt, wird sich CO2freies Fahren schneller oder langsamer durchsetzen oder der Transport wird einfach deutlich teurer werden.

Und die Politik?

Daum: Der Gesetzgeber kann im Güter- und vor allem im Fernverkehr relativ schnell die Richtung vorgeben. Wir haben heute eine Autobahnmaut, die sich nach dem Stick­oxidausstoß bemisst. Man kann das auch komplett auf CO2 anwenden. Mit diesem Instrument kann der Gesetzgeber relativ schnell die Balance zu einer Kostenparität vom Verbrenner- zum Elektromotor drehen.

Was würden Sie der Ampel-Koalition außerdem empfehlen, damit Transporte in Deutschland in 20 Jahren CO2-frei sein könnten?

Daum: Erstens die Energieerzeugung komplett auf grüne Energie umzustellen, eine Vision zu entwickeln, wie viel grüne Energie wir in der Zukunft brauchen werden, und dafür ein Konzept aufzustellen. Das enthält auch den Import von grüner Energie. Damit sind wir schnell wieder beim Wasserstoff. Zweitens eine Tank- und Ladeinfrastruktur – sowohl für Wasserstoff als auch für Strom – intensiv zu fördern und Genehmigungen zu vereinfachen.

Was noch?

Daum: Fahren mit CO2 -Ausstoß wird nicht komplett wegreguliert werden können, weil es Anwendungsfälle in Nischen gibt, wo wir wahrscheinlich nicht um den Dieselmotor herumkommen. Ich denke zum Beispiel an Baustellen-Lkw und an Feuerwehrfahrzeuge.♠

Das Interview führte .

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