Finanzierungen

Unternehmen bauen Abwehrkräfte auf

Konzerne sind mit Ukraine-Krieg, Lieferkettenproblemen und ökologischer Transformation enorm herausgefordert. Firmen- und Bankenvertreter halten die Unternehmen für gut gerüstet, mit der Situation umzugehen.

Unternehmen bauen Abwehrkräfte auf

swa Frankfurt

Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine hat die Situation verschärft, doch Pandemie und Lockdowns haben Unternehmen schon vorher in den Krisenmodus geschickt. Sie sind bemüht, für Widerstandskraft zu sorgen. „Spätestens seit Ende Februar wissen wir genau, was geopolitische Risiken bedeuten und welche ökonomische Sprengkraft sie für globale Handelsströme und die Preisentwicklung haben können“, sagt Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Vorstands Bundesverband deutscher Banken (BdB).

„Gut trainierter Muskel“

Das Pflichtenheft ist gefüllt. Unternehmen müssen in größere Diversifizierung und in mehr Resilienz investieren, ergänzt Ossig in einer Diskussionsveranstaltung des Bankenverbands. Die Unsicherheit im Markt sei groß, doch es gebe auch eine positive Seite: Viele robuste Unternehmen stünden bereit, um in die große Transformation der Wirtschaft, in Klimaschutz und Digitalisierung zu investieren. Der Finanzierungsbedarf der Wirtschaft nimmt mit diesen Aufgaben deutlich zu. Hier sei per­spektivisch noch mehr Nachfrage zu erwarten, entsprechend seien die Banken gefordert.

Aus Unternehmenssicht sind die größten Themen derzeit – wie schon im vergangenen Jahr – Lieferketten und Logistik sowie die dafür notwendige hohe Agilität, sagt Karin Dohm, CFO des Baumarktkonzerns Hornbach. Nach zwei Jahren Pandemie „ist es ein gut trainierter Muskel“, umschreibt die Managerin die erworbene Flexibilität. Hornbach sei in neun Ländern der EU aktiv. Die Herausforderungen in der Logistik seien 2022 nicht einfacher geworden, aber sie seien auch nicht neu. Bei den Container Spot Rates sei ein kleiner Silberstreif am Horizont zu erkennen. Hier gebe es im laufenden Jahr eine leichte Verbesserung, aber man sei noch nicht zurück auf dem Niveau von vor der Pandemie.

Sorge über Inflation

Auch Michael Kotzbauer, im Commerzbank-Vorstand für Firmenkunden verantwortlich, sieht keinen Grund zur Panik. „Wir haben in Deutschland inzwischen eine andere Resilienz von Unternehmen und Banken. Wir sind es inzwischen auch gewohnt, mit Krisen umzugehen“, fasst er die Situation zusammen. Die Unternehmen hätten stark an Liquidität und Eigenkapital gearbeitet. Größte Sorge bereite ihm derzeit das Thema Inflation sowie der Ukraine-Krieg. Kotzbauer hält die Resilienz der Unternehmen für ausreichend, um die „unweigerliche Transformation“ des Landes zu bewerkstelligen.

Hornbach spüre in den Baumärkten der Gruppe trotz der Preissteigerungen eine unverändert hohe Nachfrage, sagt Dohm. Perspektivisch hält sie es für entscheidend, welche Zinserhöhung die EZB im Juli vollzieht. Wenn sich der Leitzins im Euroraum auf Jahressicht im Korridor von 1,25 bis 1,5% bewegen würde, ist das aus Sicht von Kotzbauer für die Unternehmen zu verkraften. „Wir kommen aus historisch niedrigsten Finanzierungsbedingungen“, gibt er zu bedenken.

Die Rahmenbedingungen für Unternehmensfinanzierungen hält Kotzbauer nach wie vor für gut. Es sei wegen der Lieferkettenproblematik und dem Aufbau von Umlaufvermögen ein deutlicher Anstieg der Nachfrage nach kurzfristigen Krediten zu beobachten. Unternehmen stellten sich von just-in-time auf intensivere Lagerhaltung um.

Die Nachfrage nach kurzfristigen Krediten schnellte nach Zahlen der Bundesbank im ersten Quartal 2022 um 11,2% nach oben – ähnlich wie zur Hochphase der Pandemie im Auftaktquartal 2020, als es um 9,4% nach oben gegangen sei. Mittel- und langfristige Kredite nahmen in den ersten drei Monaten moderat zu.

Aus der Befragung von Unternehmen und Banken lässt sich nach Angaben des BdB ableiten, dass in der ersten Hälfte 2022 mit einer zunehmenden Kreditnachfrage ge­rechnet wird, doch variierten diese Einschätzungen deutlich und seien von hoher Unsicherheit geprägt. Erkennbar preisten Banken zunehmend Aspekte wie Lieferkettenverzerrungen und Rohstoffpreise ein. Auch seien erste Auswirkungen sowohl auf die Ratings der Unternehmen als auch die risikogewichteten Aktiva der Institute erkennbar.

Jeder CFO will die Zinsbelastung seines Unternehmens so niedrig wie möglich halten, sagt Dohm. Doch auch sie hält einen Leitzins von 1,25% für verkraftbar – gerade in einer langsamen sukzessiven Anpassung auf dieses Niveau. Unternehmen könnten vorausschauend handeln und für den adäquaten Finanzierungsmix auf Banken- und Kapitalmarktseite sorgen. Die Zinsentwicklung gehe ja grundsätzlich in die richtige Richtung, zudem seien „die Auftragsbücher allseits gut gefüllt“. Auch Hornbach habe im Sommer vergangenen Jahres für 2022 mehr und eher eingekauft, um bewusst Verfügbarkeiten zu sichern.

Abhängigkeiten lösen

Kotzbauer hebt hervor, dass es mit Blick auf Logistik und Lieferketten in keinem seiner vielen Gespräche mit Firmenkunden nicht um den Abbau von Abhängigkeiten von bestimmten Märkten wie China gehe und darum, wie sich Handelskorridore veränderten. „Die politische Volatilität in den Märkten wird uns noch eine ganze Weile erhalten bleiben“, sagt er. Dabei rede er nicht allein vom Ukraine-Krieg, sondern auch von Regionen wie Türkei und China. Es werde dauerhaft eine höhere Diversifizierung in den Beschaffungs- und Absatzmärkten nötig sein, um die Resilienz zu steigern. Der Fokus deutscher Firmen werde stärker in Richtung Europa, Nordamerika und ASEAN-Staaten gehen.

Finanzchefin Dohm weist darauf hin, dass Hornbach schon bislang viel regional eingekauft habe, weil die Kundenwünsche in den jeweiligen Ländern sehr unterschiedlich seien. Natürlich würden Unternehmen von Krisen wie dem Ukraine-Krieg veranlasst, die Beschaffungsstrukturen wieder zu prüfen. Das Thema Energieeffizienz spiele allerdings auch eine wichtige Rolle, weil Unternehmen u.a. aus ökologischen Aspekten bemüht seien, Liefer- und Beschaffungsketten zu verkürzen.

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