Chemieindustrie

Chemie sagt dunkle Monate voraus

Die deutsche Chemieindustrie ächzt unter hohen Energiekosten und rückläufiger Inlandsnachfrage. Eine Aufhellung ist nicht in Sicht

Chemie sagt dunkle Monate voraus

swa Frankfurt

Hohe Energiepreise und Rezessionssorgen prägen weiterhin das Bild in der deutschen Chemieindustrie. In den Sommermonaten habe sich das Umfeld noch einmal verschlechtert, heißt es vom Branchenverband VCI. Davon seien nahezu alle Sparten betroffen, am stärksten geht es bei Petrochemikalien nach unten. Die drittgrößte Industriebranche hierzulande habe ihre Produktion im dritten Quartal deutlich gedrosselt – im Vergleich zum Vorquartal um 4,2%. Mit 79,3% liege die Auslastung der Kapazitäten deutlich unterhalb der Normalauslastung, teilt der Verband der Chemischen Industrie weiter mit. Im Vergleich zum Vorjahr schrumpfte die Produktion um 10,3%.

Den Unternehmen falle es angesichts abflauender Nachfrage immer schwerer, Kostensteigerungen weiterzugeben. Die Erzeugerpreise legten im Vergleich zum Vorquartal nur noch um 2,6% zu. Im Vergleich zum Vorjahr waren Chemikalien damit noch um 23,7% teurer. Das gedämpfte Preis-, Produktions- und Nachfrageszenario führt dazu, dass der Umsatz erstmals seit zwei Jahren rückläufig ist: Im Vergleich zum Vorquartal ist es ein Minus um 1,6% auf 63,1 Mrd. Euro, im Vergleich zum Vorjahr bleibt dank der deutlichen Preissteigerung noch ein Plus um 14,7%. Das Mengengeschäft ist auch im Vorjahresvergleich rückläufig.

In den kommenden Monaten ist nach Einschätzung des VCI nicht mit einer Besserung zu rechnen. „Der Chemiebranche stehen weitere dunkle Monate bevor“, sagt Verbandspräsident Markus Steilemann, im Hauptberuf Chef des Chemiekonzerns Covestro. Viele Unternehmen befinden sich nach den Worten des Managers wegen der hohen Energiekosten „bereits heute in einer äußerst dramatischen Lage“. Besonders der Mittelstand habe erhebliche Probleme, bei auslaufenden Lieferverträgen für Strom oder Gas Anschluss- oder Neuverträge abzuschließen. Bei Wintereinbruch und sinkenden Gasspeicherständen werde sich die Situation weiter verschärfen. „Deshalb brauchen wir jetzt schnell und unbürokratisch breit wirkende Energiepreisbremsen, damit die Lage sich nicht noch weiter zuspitzt“, fordert der VCI-Präsident.

Für das Jahr hält der Verband an der Prognose fest, wonach die Produktion um 5,5% sinken wird; in der Chemie ohne Pharma wird ein Rückgang um 8,5% vorhergesagt. Der Branchenumsatz könne angesichts einer erwarteten Preiserhöhung von 21,5% zwar immer noch zweistellig mit rund 16 % wachsen. „Ein Grund zur Freude“ ist das laut VCI aber nicht. Die Preiserhöhungen deckten bei weitem nicht den Kostenanstieg. Viele Unternehmen rechneten für die kommenden Monate mit einer weiteren Verschlechterung der Geschäftslage. Zwar seien die Gas- und Strompreise an den europäischen Börsen zuletzt deutlich gesunken, doch die rückläufigen Energiepreise kämen noch nicht in den Unternehmen an.

Für eine gewisse Stabilisierung der deutschen Chemiefirmen hat zuletzt das Auslandsgeschäft gesorgt. So war das Umsatzminus im dritten Quartal laut VCI dem schwachen Inlandsgeschäft geschuldet; es brach im Vergleich zum Vorquartal um 7,3% ein, während die Auslandsumsätze um 2,3% zulegten. Im Inland hätten chemieintensive Branchen wie Bau, Papierindustrie, Ernährungsgewerbe oder Glasindustrie ihre Produktion zurückgefahren und entsprechend weniger Chemikalien nachgefragt.

Auftragspolster

Im Exportgeschäft macht sich zwar auch bemerkbar, dass die Nachfrage nach deutschen Chemieprodukten und der Auftragseingang abflauen, weil die weltweite Dynamik ab­nimmt. Der hohe Auftragsbestand habe der Branche aber noch einmal ein Plus im Auslandsumsatz ermöglicht. Das Geschäft in Europa ist dank höherem Pharmaumsatz ausgeweitet worden, die Verkäufe von Chemieprodukten fielen dagegen schwach aus. In den USA sei es umgekehrt gewesen, im dritten Quartal sanken dort die Pharmaerlöse, während Chemikalien gefragt waren. Die Geschäfte in Asien hätten sich erholt.

Wertberichtigt Seite 2

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