Lkw-Hersteller will Kosten senken

Konflikt um Stellenabbau von Daimler Truck in Deutschland

Ein groß angelegter Stellenabbau der Marke Mercedes-Benz sorgt im Daimler-Truck-Konzern für Kontroversen. Vorstandschefin Karin Rådström will indes keine „Leute hin und her“ zählen. Der Betriebsrat setzt auf Gespräche mit der Schwedin.

Konflikt um Stellenabbau von Daimler Truck in Deutschland

Konflikt um Stellenabbau von Daimler Truck in Deutschland

Betriebsrat besteht auf vereinbarter Wirtschaftlichkeitsprüfung für Arbeitsplätze – Vorsitzender Brecht: Blöde, stumpfsinnige Zahlen

xaw/jh New York/München

Daimler Truck will auf dem Kapitalmarkttag in Charlotte, North Carolina, eigentlich Aufbruchstimmung für die kommenden Jahre verbreiten. Nun steht die Führung des Lkw- und Busherstellers allerdings vor einem Konflikt mit dem Betriebsrat – denn der ist mit dem angekündigten Abbau von 5.000 Stellen in Deutschland überhaupt nicht einverstanden. Dieser soll Teil einer Strategie werden, mit dem das Unternehmen bis 2030 effizienter wachsen und die Umsatzrendite deutlich ankurbeln will.

Bereits im März hatte Daimler Truck für die kommenden fünf Jahre in Europa öffentlich Kostensenkungen für das Segment Mercedes-Benz Trucks um mehr als 1 Mrd. Euro angekündigt. „Historisch hat Daimler Truck die in Aussicht gestellten Kostenreduktionen nicht immer geliefert – dass wir es diesmal schaffen, wird eine meiner Schlüsselprioritäten als CEO sein“, sagte die im vergangenen Oktober angetretene Vorstandschefin Karin Rådström in North Carolina. 

„Vertrauen verspielt“

Die Personalkürzungen in Deutschland werden nun zum Streitfall: Der Gesamtbetriebsrat von Daimler Truck zeigte sich von der Kommunikation zum Stellenabbau verärgert. Dessen Vorsitzender Michael Brecht wetterte am Mittwoch in einem kurzfristig angesetzten Online-Pressegespräch: „Es ist völlig unnötig, mit irgendwelchen blöden, stumpfsinnigen Zahlen die Belegschaft zu verunsichern.“ Das habe viel Vertrauen gekostet. Er kenne die Zahl von 5.000 nicht und könne sie auch nicht ableiten.

Brecht vermutet, Rådström habe die Zahl genannt, um dem Kapitalmarkt zu gefallen. So werde der Vorstand von Investoren besser wahrgenommen. Nun erwartet er von Rådström ein klares Signal, dass es nicht um den Abbau von 5.000 Stellen gehe, sondern um einen mit der Arbeitnehmerseite vereinbarten Prozess für das Effizienzprogramm „Cost Down Europe“. Dafür sei geplant, die Wirtschaftlichkeit jedes Bereichs zu prüfen und dann zu entscheiden, ob Aufgaben innerhalb des Unternehmens verlagert oder an Externe vergeben werden. Mercedes-Benz Trucks beschäftigt in Deutschland rund 28.000 Menschen.

Michael Brecht ist Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats von Daimler Truck.
picture alliance/dpa/Bernd Weißbrod

Auch Barbara Resch, die Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg, pochte am Mittwoch darauf, dass sich das Management an die Vereinbarung über ein gemeinsames Vorgehen hält. Nach langwierigen Verhandlungen sei diese getroffen worden. Es gehe darum, dass Mercedes-Benz Trucks wettbewerbsfähiger werde und Marktanteile zurückgewinne. „Ich erwarte, dass diese Zahl zurückgenommen wird“, sagte sie.

Zuversicht für Lösung

Der Betriebsrat will nach Brechts Worten verhindern, dass – wie „in der Vergangenheit oft“ geschehen – Stellen abgebaut würden, obwohl dies nicht wirtschaftlich sei. Er rechnet schon damit, dass es „zum Schluss weniger Arbeitsplätze“ gebe. Eine Zahl könne aber erst am Ende der Wirtschaftlichkeitsprüfung feststehen. Brecht kündigte an, er werde in Kürze mit Rådström telefonieren. Er werde mit ihr darüber diskutieren, wie der Vorstand das Vertrauen der Belegschaft zurückgewinnen könne. Brecht zeigte sich für die Gespräche über den auf dem Kapitalmarkttag genannten Stellenabbau zuversichtlich: „Dieses Problem ist hoffentlich lösbar.“

Rådström räumte in einer Medienrunde auf Nachfrage der Börsen-Zeitung ein, dass sich Unternehmen und Betriebsrat nie auf Spezifika zu den Auswirkungen der neuen Strategie verständigt hätten. „Die vereinbarten Kostensenkungen sind aber nun einmal nicht möglich, ohne dass wir Arbeitsplätze in Deutschland wegnehmen“, sagte die Vorstandsvorsitzende. Darauf, in welchem Umfang an welchen Standorten genau gekürzt werden soll, wollten sich die beim Kapitalmarkttag anwesenden Vorstände nicht festlegen.

„Wir sollten uns viel mehr auf die relevanten Einsparungen konzentrieren als darauf, Leute hin und her zu zählen“, betonte Rådström. So will Mercedes-Benz Trucks die Materialkosten bis 2030 um 400 Mill. Dollar senken sowie die Betriebs- und Vertriebskosten sowie die Ausgaben für Forschung und Entwicklung deutlich drücken, um eine Ausweitung der Marge im Kerngeschäft um 150 Basispunkte zu erwirken. Im kommenden Jahr sei mit „ersten greifbaren Effekten“ der Einsparungen zu rechnen.

Stellen bis 2034 gesichert

Außerdem hat Daimler Truck bekannt gegeben, mehr als 20% des europäischen Lkw-Produktionsvolumens in ein Land mit Kostenvorteilen verlagern zu wollen – und damit die Kosten pro dort produziertem Lkw um 3.000 Euro zu senken. Thomas Zwick, Betriebsratsvorsitzender in Wörth am Rhein – dem größten Produktionsstandort der Marke Mercedes-Benz Trucks – unterstreicht, für alle heute direkt Beschäftigten sei der Arbeitsplatz bis 2034 gesichert. Betriebsbedingte Kündigungen seien bis 2035 ausgeschlossen, ein Stellenabbau könne nur über natürliche Fluktuation oder freiwillige Maßnahmen erfolgen.

Der Betriebsrat habe zwar der Reduzierung der Komplexität zugestimmt, was zu einem geringeren Produktionsvolumen führte. „Dennoch bleibt Wörth Volumenproduzent und wird nicht wie vom Unternehmen ursprünglich gefordert zum reinen Technologie- und Anlaufwerk“, teilte Zwick mit, der auch stellvertretender Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats ist.

Ausbau des Servicegeschäfts

Der Vorstand kündigte auf dem Kapitalmarkttag auch Expansionsziele an, unter anderem im Servicegeschäft und der Retail-Präsenz von Mercedes-Benz Trucks. Eine effizientere Skalierung soll auch dank Deals wie der Kombination von Mitsubishi Fuso – an der die alte Daimler AG ihre Beteiligung 2011 auf knapp 90% aufstockte – und der Konkurrentin Hino Motors aus dem Portfolio von Toyota möglich werden. Nachdem sie bereits vor zwei Jahren einen Merger angekündigt hatten, vereinbarten die Muttergesellschaften im Juni, die japanischen Truck-Unternehmen in einer neuen Holding zu kombinieren.

Diese Holding soll im Premiumsegment der Börse in Tokio gelistet werden. Daimler Truck und Toyota wollen je 25% an dem neuen Unternehmen halten.

Für Unsicherheit sorgen derweil die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle auf Stahl- und Aluminium-Importe sowie die Furcht vor möglichen sektorspezifischen Abgaben für Mittel- und Schwerlastwagen. „Die Tariffs haben noch keinen Mitarbeiter den Job gekostet“, sagte John O'Leary, CEO Daimler Truck North America, in einem Gespräch mit Medienvertretern. Doch müsse bezüglich der Strafzölle endlich Klarheit herrschen, damit das Unternehmen bezüglich der Preisentwicklung eindeutiger mit den Kunden kommunizieren könne.

Hohe Profitabilitätssteigerungen in Aussicht

Unterdessen soll das effizientere Wachstum die bereinigte Umsatzrendite im Kerngeschäft von Daimler Truck bis 2030 auf mehr als 12% antreiben. Über den Zyklus hinweg soll die Profitabilitätskennziffer zwischen 9 und 13% liegen, zuvor peilte der Lkw- und Bushersteller 7 bis 11% an.Der freie Cashflow im Industrial Business – also dem Geschäft exklusive Leasing und anderer Finanzdienstleistungen – soll bis 2030 um 50% wachsen, wodurch die Holding „ihre starke Historie an attraktiven Shareholder Returns aufrechterhalten will“.

So hat Daimler Truck im Rahmen des Kapitalmarkttags ein neues Aktienrückkaufprogramm im Umfang von bis zu 2 Mrd. Euro angekündigt. Die Buybacks sollen in der zweiten Hälfte 2025 starten und über die kommenden zwei Jahre fließen. Die Freude über Steigerungen des Shareholder Return ringt nun mit dem Ärger um den Stellenabbau um Oberhand.