Erste Firmen und Fonds trennen sich von Assets in Russland
Der weltgrößte Lastwagenbauer Daimler Truck hat wegen des Ukraine-Krieges alle geschäftlichen Aktivitäten in Russland vorerst eingestellt. „Wir stehen als Unternehmen für eine friedliche globale Zusammenarbeit und lehnen jede Form vom militärischer Gewalt kategorisch ab”, sagte ein Sprecher des Unternehmens in Stuttgart. Das “Handelsblatt” hatte zuvor berichtet, dass Daimler Truck die Kooperation mit dem russischen Panzerwagenhersteller Kamaz gestoppt habe.
Daimler Truck kooperiert nach eigenen Angaben seit 2012 mit dem russischen Lkw-Hersteller Kamaz, den es mit Teilen für zivile Fahrzeuge beliefert. Diese Lieferungen seien nun eingestellt worden. „Wir haben mit militärischen Fahrzeugen von Kamaz nie etwas zu tun gehabt”, unterstrich der Sprecher. Er fügte hinzu: „Wir sind bestürzt über die militärische Gewalt in der Ukraine, das Leid der Bevölkerung und sind sehr besorgt um den Frieden in Europa.”
Wie jedes andere Unternehmen bewerte auch Daimler Truck die Geschäftsbeziehungen zu russischen Partnern auf allen Ebenen, so der Sprecher weiter. Das gelte auch für das Joint Venture Daimler Kamaz Rus, das zu gleichen Teilen dem russischen und dem deutschen Unternehmen gehört, und rund 1000 Menschen in Moskau und Chelny (Tartastan) beschäftigt. Dort werden ausschließlich nicht-militärische LKW und Fahrerkabinen gebaut. Von deutscher Seite sei die Produktion dort heruntergefahren worden. Die wirtschaftlichen Folgen des immer wieder zu überprüfenden Schrittes seien überschaubar, erklärte der Sprecher: Der russische Markt mache gemessen am weltweiten Absatz von Daimler Truck nur rund 1% aus. Dennoch notierte die Aktie von Daimler Truck am Nachmittag gut 5% im Minus.
Auch beim Weltmarktführer für Bremsen in Schienen- und Nutzfahrzeugen, Knorr-Bremse, steht ein Joint-Venture mit Kamaz auf dem Prüfstand. „Im Rahmen von politischen Entscheidungen werden wir uns vollumfänglich anschließen“, sagte Vorstandschef Jan Mrosik mit Blick auf verschärfte Sanktionen des Westens gegen Russland bei der Vorlage der Bilanzzahlen am vergangenen Donnerstag, dem Tag des russischen Einmarsches in die Ukraine. Nach Auskunft von Finanzvorstand Frank Markus Weber hält Knorr-Bremse die Hälfte am Gemeinschaftsunternehmen KB Kama Systems, welches 200 Personen beschäftigt. Der Umsatzanteil an diesem Joint Venture betrage 40 Mill. Euro. Insgesamt mache Russland 2 % des Gesamtumsatzes aus.
Der britische Energiekonzern BP teilte derweil am Sonntag mit, dass er sich von seinen Anteilen am russischen Ölunternehmen Rosneft trenne. BP hat seit 2013 einen Anteil von 19,75% der Rosneft-Aktien gehalten. Mit dem Ausstieg sei auch der Rückzug von BP-Chef Bernard Looney und seinem Vorgänger Bob Dudley als Verwaltungsratsmitglieder von Rosneft verbunden, hieß es in einer Mitteilung des Konzerns am Sonntag. Britischen Medienberichten zufolge gab BP mit dem Schritt Druck aus der Regierung in London nach. „Wie so viele bin ich zutiefst schockiert und traurig über die Lage in der Ukraine und fühle mit allen, die davon betroffen sind”, sagte Looney der Mitteilung zufolge. Die Ereignisse hätten eine „fundamentale Neuausrichtung“ im Verhältnis zwischen BP und Rosneft zur Folge.
Die Priorität liege bei der Sorge um die Menschen in der Region. Die vom BP-Vorstand getroffene Entscheidung sei auch im langfristigen Interesse des Konzerns. BP-Chefaufseher Helge Lund bezeichnete Russlands Angriff auf die Ukraine als „Akt der Aggression, der tragische Konsequenzen in der ganzen Region haben wird“. BP habe 30 Jahre lang in Russland mit „brillanten russischen Kollegen“ zusammengearbeitet. Doch der militärische Einsatz stelle eine fundamentale Zäsur dar. Der Vorstand sei daher zu dem Entschluss gekommen, dass die Beteiligung an dem staatseigenen russischen Unternehmen nicht fortgesetzt werden könne. Bei den Anlegern kam die Nachricht nicht gut an, die Aktie von BP verlor bis zum Montagnachmittag rund 7%.
Auch das größte norwegische Energieunternehmen Equinor will sich als Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine aus seinen Joint Ventures in Russland zurückziehen. Das Unternehmen, das sich zu 67% in Staatsbesitz befindet, hatte Ende 2021 langfristige Vermögenswerte im Wert von 1,2 Mrd. Dollar in Russland und erwartet, dass die Entscheidung zu Wertminderungen führen werde. „In der gegenwärtigen Situation betrachten wir unsere Position als unhaltbar“, sagte CEO Anders Opedal.
Am Sonntag hat zudem die Regierung in Norwegen mitgeteilt, dass der staatliche Pensionsfonds seine Investitionen aus Russland abziehen wird. „So wie sich die Situation entwickelt hat, glauben wir, dass es notwendig ist, dass sich der Pensionsfonds aus Russland zurückzieht”, sagte Finanzminister Trygve Slagsvold Vedum.
Einem Bericht des öffentlich-rechtlichen norwegischen Rundfunks NRK zufolge hatte der Pensionsfonds des Landes zum Jahreswechsel 25 Mrd. norwegische Kronen (umgerechnet rund 2,5 Mrd. Euro) in Russland investiert. Er habe die norwegische Zentralbank angewiesen, umgehend alle Investitionen in Russland zu stoppen und den Fonds aus dem Land zurückzuziehen, sagte Vedum.
Dabei gehe es um die Anteile an 47 Unternehmen und um Staatsanleihen. Mit einem Gesamtvolumen von 1,3 Bill. Dollar ist der Fonds der weltgrößte Staatsfonds. Er legt die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft des Landes zum Wohle künftiger Generationen an. Neben dem Rückzug des Fonds will sich Oslo auch den Sanktionen der EU gegen Moskau anschließen, sowie die Ukraine mit Geld für humanitäre Hilfe und militärischer Schutzausrüstung unterstützen, teilte die Regierung am Sonntagabend mit.