Gabelstaplerhersteller

Jungheinrich behauptet sich in Versorgungs­krise

Im Gerangel um wichtige Materialien wie Stahl und Elektronikkomponenten stellen Industriefirmen wie der Gabelstaplerkonzern Jungheinrich ihre Produktionsfähigkeit derzeit über das Thema Liquidität. Analysten sehen in der Branche dennoch langfristig viel Wachstumspotenzial.

Jungheinrich behauptet sich in Versorgungs­krise

kro Frankfurt

Der weltweite Bedarf von Unternehmen nach einem höheren Automatisierungsgrad in ihren Warenlagern reißt auch in der aktuellen Krisenzeit nicht ab. Davon hat der Hamburger Gabelstaplerhersteller Jungheinrich im ersten Halbjahr 2022 erneut profitiert und gegenüber dem Vorjahr 2 % mehr Aufträge an Land gezogen. „Der Markt entwickelt sich noch immer ordentlich, zumindest vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in der Welt“, sagte der seit 2009 amtierende Finanzchef Volker Hues der Börsen-Zeitung. „Wir sind immer noch in der Pandemie, wir haben einen Krieg in Europa. Die Wertschöpfungsketten zu China sind massiv unterbrochen. Vor dem Hintergrund ist die Auftragslage aus meiner Sicht sehr ordentlich.“

Dem MDax-Konzern ergeht es derzeit wie vielen Unternehmen im produzierenden Gewerbe: Aufträge kommen zwar nach wie vor rein − diese aber auch zeitnah und vollständig abzuarbeiten, ist wegen des hartnäckigen Materialmangels und der daraus resultierenden Inflation gar nicht so einfach. Bei der Entwicklung der Stahlpreise habe es zuletzt eine gewisse Normalisierung gegeben, berichtet Hues. „Die Auswirkungen sind dennoch extrem hoch – wir reden hier mit Blick auf den Mehraufwand im Material von einem dreistelligen Millionen-Euro-Betrag.“

Zumindest sei die Situation bei Stahl insofern weniger problematisch, da der Werkstoff weiter erhältlich sei. Bei den Elektronikkomponenten ist die Lage hingegen noch immer besonders knifflig: „Hier liegt das Problem sowohl im Preis als auch in der Verfügbarkeit“, so der 58-Jährige. „Die Wertschöpfungsketten sind hier sehr stark unterbrochen und Elektronikteile sind seit mittlerweile über einem Jahr die absolut kritische Komponente. Das ist in unserer Lieferkette gegenwärtig die größere Herausforderung.“

Vorräte zehren an Liquidität

Um den Worst Case einer Produktionsunterbrechung zu verhindern, setzen Unternehmen wie Jungheinrich daher seit einiger Zeit auf eine erhöhte Vorratshaltung. In den Lagern der Hamburger liegen laut Hues mittlerweile Vorräte im Wert von 1 Mrd. Euro. Die hohe Mittelbindung zehrt allerdings kräftig an der Liquidität: Der freie Barmittelzufluss reduzierte sich von 84 Mill. Euro im Vorjahr deutlich auf minus 270 Mill. Euro (beim Frankfurter Konkurrenten Kion ging der freie Barmittelzufluss im gleichen Zeitraum von gut 300 Mill. Euro auf minus 590 Mill. Euro zurück). Die Nettoverschuldung von Jungheinrich belief sich Ende Juni vor dem Hintergrund auf 76 Mill. Euro. Ende 2021 verfügten die Hamburger noch über ein Nettoguthaben von 222 Mill. Euro.

Hues gibt sich an der Stelle ge­lassen: In Summe sei das Unternehmen dank der Maßnahmen „sehr gut durch diese Versorgungskrise ge­kommen“. Insofern sei im Moment der Umschlag der Vorräte nicht entscheidend − zumal es sich dabei um werthaltige Güter handle, die nicht abgeschrieben werden müssten, so der Wirtschaftswissenschaftler. „Selbstverständlich werden wir aber, wenn sich die Lieferketten wieder normalisieren, das Thema Working Capital entsprechend forcieren und die Liquidität, die aktuell dort gebunden ist, auch wieder freisetzen.“

Analysten raten zum Kauf

An der Börse drehte die Aktie am Freitag nach anfänglichen zaghaften Kursgewinnen gegen Mittag ins Minus und entwickelte sich damit im Gleichklang mit dem Markt. Seit Jahresbeginn hat das Papier fast 40 % verloren. Der Kurssturz bei Kion war mit minus 54 % noch heftiger.

Analysten halten dies in beiden Fällen mittlerweile für zu schwarzmalerisch. Sowohl bei der Baader Bank als auch bei Warburg Research erklärten die Analysten nach Durchsicht der Q2-Zahlen von Jungheinrich, dass die Gewinnschätzungen am Markt für 2022 bzw. für 2023 zu niedrig ausgefallen seien. Baader-Experte Peter Rothenaicher rechnet etwa in diesem Jahr mit einem Ebit von über 325 Mill. Euro, wohingegen der Konsens gerade mal bei 291 Mill. Euro liegt. 2021 kam Jungheinrich hier auf 360 Mill. Euro. Wegen der fundamental guten Aussichten im Geschäft mit der Lagerautomati­sierung rät die Mehrheit der Analysten sowohl bei Jungheinrich als auch bei Kion zum Kauf der Aktie − bei Kion sehen die Experten derzeit allerdings deutlich mehr Kurssteigerungspotenzial.

Jungheinrich
Konzernzahlen nach IFRS
1. Halbjahr
in Mill. Euro20222021
Auftragseingang24612419
Umsatz22021988
Ebit162169
Ebit-Marge in %7,48,5
Ergebnis nach Steuern103121
Free Cashflow−27084
F&E-Ausgaben6148
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