Rauswurf

Varta fliegt nach Bilanzverzögerung wegen Hackerangriff aus SDax

Varta kann eigentlich nichts dafür, dass wegen eines Hackerangriffs der Jahresfinanzbericht erst verspätet nach dem 30. April vorgelegt werden kann. Dennoch fliegt der Batteriekonzern deshalb aus dem SDax. Die Deutsche Börse will diese Regel auch weiter streng einhalten.

Varta fliegt nach Bilanzverzögerung wegen Hackerangriff aus SDax

Varta fliegt aus dem SDax

Hackerangriff verzögert Vorlage des Finanzberichts – Investor Tojner wechselt CEO des Batteriekonzerns aus

cru Frankfurt

Im Februar hatten Hacker die Computersysteme von Varta attackiert und damit die Produktion des Batteriekonzerns lahmgelegt. Jetzt kostet die digitale Attacke das ohnehin schon angeschlagene Traditionsunternehmen aus dem schwäbischen Ellwangen auch noch die Mitgliedschaft im SDax. Die Notierung der Aktie in dem Index für die kleineren Werte werde zum 9. Mai (Donnerstag) gelöscht, teilte die Deutsche Börse mit.

Grund ist die nicht „fristgerechte Veröffentlichung des geprüften Jahresfinanzberichts“. Mitte März hatte Varta bekannt gegeben, diese aufgrund des am 13. Februar öffentlich gemachten Hackerangriffs nicht vor dem 30. April vornehmen zu können – anstatt wie geplant der 28. März wird es nun der 28. Juni. Der Konzern hat für 2023 PwC zum Abschlussprüfer berufen. Als Ersatz für Varta im SDax wird laut Deutscher Börse nun die Aktie des erst seit Anfang Februar börsennotierten Panzergetriebeherstellers Renk in den Index aufgenommen.

Varta muss als börsennotiertes Unternehmen im regulierten Markt den Abschluss spätestens vier Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres erstellt haben. Sonst muss das Unternehmen den SDax verlassen. „Diese Regel hat die Deutsche Börse nach Wirecard eingeführt“, sagt ein Sprecher des Konzerns mit Bezug auf den Betrugsskandal bei dem Zahlungsdienstleister. Die Regeländerung erfolgte im März 2021 im Zuge der großen Dax-Reform. Seither mussten außer Varta noch vier andere Unternehmen aufgrund fehlender bzw. verspäteter Finanzberichte einen Dax-Index verlassen: Evotec, SMA Solar Technology, Nordex und Grenke.

Konsequenz aus Wirecard

„Die Investoren wollten mehr Qualitätskriterien. Diesem Wunsch sind wir nachgekommen“, sagte der Deutsche-Börse-Sprecher. Die Regel bringe mehr Qualität in den Markt. Eine Anpassung der Regel auf Fälle wie Varta sei nicht geplant. Die Gründe seien egal. Sonst müsste man jeden einzelnen Fall neu anschauen. „Wir wollen nicht mit zweierlei Maß messen.“

Trotz des SDax-Rauswurfs setzte die Varta-Aktie die Erholungsrally fort, der Kurs liegt nun 59% über dem Rekordtief. Am Dienstag kletterte er um 11,3% auf 11,79 Euro. Wegen der finanziellen Probleme hat sich der Börsenwert der Firma zuvor binnen vier Wochen halbiert auf 500 Mill. Euro. Haupteigentümer ist der österreichische Investor Michael Tojner, dem über die Holding Montana Tech 48% der Anteile gehören. Tojner hatte Varta 2007 für 30 Mill. Euro von der BMW-Gründerfamilie Quandt übernommen und 2017 an die Börse gebracht.

Der Varta-Aufsichtsrat, dessen Vorsitzender Tojner ist, hat gerade erst am Montag den Branchen- und Sanierungsexperten Michael Ostermann zum neuen Vorstandschef berufen. Der 58-Jährige kommt vom Batteriehersteller Exide Technologies, und er verfüge über langjährige Erfahrung im Automotive-Sektor und in der Batterieindustrie, hieß es. Der bisherige Vorstandssprecher Markus Hackstein bleibt für eine Übergangsphase Mitglied des Vorstands und kehrt dann zum Großaktionär Montana Tech zurück. „Das Ziel, die Restrukturierung umzusetzen, ist ungebrochen“, so der Varta-Konzernsprecher.

Hauptaufgabe des neuen Vorstandschefs wird es sein, mit den sieben Konsortialbanken ein neues Sanierungskonzept auszuarbeiten. Die Probleme sind schon älter: Bei dem Unternehmen laufen die Geschäfte sowohl mit kleinen Lithium-Ionen-Knopfzellen für Kopfhörer als auch mit Energiespeichern für Fotovoltaik-Anlagen schlechter als erwartet.

Steil bergauf und bergab

Seit dem Börsengang 2017 ging es steil bergauf und steil bergab. Vom Ausgabepreis bei 20 Euro war die Aktie auf 160 Euro gestiegen, als ein Analyst einen Apple-Kopfhörer aufgebrochen hatte und so bekannt wurde, dass Varta die kleinen Batterien für die Kopfhörer von Apple liefert. Dann machte der Leerverkäufer mit dem Tarnnamen „Black Mamba“ jedoch bekannt, dass die chinesische Konkurrenz ähnliche Batterien herstellen kann und liefert. Auch wenn Varta entgegnete, das sei eine Patentverletzung, die man sich nicht gefallen lassen werde: Der Kurs fiel seither binnen drei Jahren um 90%.

Eigentlich kann Varta nichts dafür, dass wegen eines Hackerangriffs der Jahresfinanzbericht erst verspätet nach dem 30. April vorgelegt werden kann. Dennoch fliegt der Batteriekonzern jetzt aus dem SDax. Die Deutsche Börse will diese Index-Regel, die nach Wirecard eingeführt wurde, auch weiter streng einhalten.

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