Biotechnologie

„Man kann mit Biotech auch Geld verdienen“

Der Impfstofferfolg von Biontech setzt die ganze Branche in Szene, deutsche Firmen sind nicht mehr unter dem Radar von US-Investoren, doch es könnte aus Sicht der Beteiligten politisch mehr getan werden.

„Man kann mit Biotech auch Geld verdienen“

swa Frankfurt

Das Mainzer Biotechunternehmen Biontech hat mit seinem Coronaimpfstoff dafür gesorgt, dass die Branche insgesamt in Öffentlichkeit und Kapitalmarkt intensiver wahrgenommen wird. Das sollte sich in den Anstrengungen anderer Firmen widerspiegeln. „Ein Leuchtturm ist immer Ansporn zu zeigen, was noch in der Branche steckt“, hofft Oliver Schacht, Vorstandsvorsitzender des Verbands Bio Deutschland.

Biontech habe vor Augen geführt, dass „man mit Biotech auch Geld verdienen kann“, unterstreicht Schacht. Der Ertrag werde reinvestiert und könne Motor sein für weitere Firmen. Der Branchenexperte ist überzeugt, dass die Unternehmen nicht nur in der Medizin punkten können, sondern auch einen erheblichen Beitrag zu Ernährung und Umweltschutz leisten können. „Klimawandel wird ohne Biotech nicht gehen“, meint Schacht.

Die Finanzierungssituation hat sich 2021 erneut deutlich besser dargestellt als in den Jahren davor, auch wenn der Rekordwert des Ausnahmejahres 2020 nicht übertroffen wurde. Die deutsche Biotechindus­trie hat 2,3 Mrd. Euro für ihre Expansion bei Investoren eingesammelt. Der größte Teil stammte aus Wagniskapital, gefolgt von Kapitalerhöhungen und vier Börsengängen – die jedoch alle an der US-Technologiebörse Nasdaq stattfanden. Schacht hält die Volumina in der Finanzierung immer noch für zu niedrig, „wenn man sich das Potenzial der Branche vor Augen führt“.

Größere Runden

Dass größere Finanzierungsrunden machbar sind, unterstreicht Carsten Dehning, Chief Financial Officer von Emergence Therapeutics. Das auf Antikörpertherapien gegen Krebserkrankungen fokussierte Biotechunternehmen konnte im Dezember 2021 angeführt vom israelischen Investor Pontifax 87 Mill. Euro einsammeln. Die Emission sei deutlich überzeichnet gewesen. Der Erfolg zeige, dass erhöhte Liquidität im Markt sei und größere Runden auch schon in frühen Phasen möglich seien. Das Spektrum der Geldgeber werde breiter. „US-Investoren scheuen den europäischen und deutschen Markt nicht mehr“ –  wenngleich es immer noch Vorbehalte und eine klare Präferenz für „Money & Move to US“ gebe.

Viola Bronsema, Geschäftsführerin des Verbandes Bio Deutschland, appelliert an die Politik, bessere Rahmenbedingungen für die Branche zu schaffen: „Wir sollten uns bemühen, gute Unternehmen im Land zu halten, weil natürlich Geld immer zieht.“ Es müsse zu denken geben, dass der Regierungswechsel laut einer Trendumfrage des Verbands innerhalb der Branche keine neuen Hoffnungen geweckt habe – obwohl im Koalitionsvertrag festgehalten sei, dass Deutschland die Chance habe, sich zum international führenden Biotechnologie-Standort zu entwickeln. Die Politik sei nun gefordert, diesen Impetus auch zu nutzen. „Die Ampel-Regierung sollte die Biotechnologie jetzt zur Chefsache machen, damit wir bald noch mehr Erfolgsgeschichten erzählen können“, ergänzt Schacht.

Unzufrieden äußern sich die Branchenvertreter über die Gründungsdynamik in der Biotechbranche. Hier herrschte zuletzt Stagnation. Doch das Netzwerk sei da, die Finanzierung möglich, so der Appell an die Forscher im Land. Das derzeit positive Sentiment könnte diese Ambitionen befördern. Nach der jüngsten Umfrage des Verbands halten 64% der Teilnehmer ihre Geschäftslage für gut, 52% erwarten sogar eine Verbesserung. Der Einfluss der Pandemie auf die Geschäfte sei rückläufig.