Umfrage

Mittelstand schielt auf Westeuropa

Das Lieferkettenchaos der vergangenen Jahre hat vielen mittelständischen Unternehmen schwer zugesetzt. Zwar hofft ein großer Teil nun auf mehr Stabilität durch einen verstärkten Fokus auf Westeuropa. Das große Kernproblem der hohen China-Abhängigkeit dürfte jedoch weiterhin bestehen bleiben.

Mittelstand schielt auf Westeuropa

kro Frankfurt

Deutsche mittelständische Unternehmen wollen ihre Lieferketten laut einer Umfrage in Zukunft verstärkt auf Westeuropa ausrichten. Um die Gefährdung der eigenen Wertschöpfungskette durch politische Unruhen oder lange Transportwege zu umgehen, beabsichtigt fast ein Drittel der Befragten, sich in den kommenden fünf Jahren stärker auf das Geschäft mit den westeuropäischen Nachbarn zu konzentrieren, wie eine repräsentative Befragung der DZ Bank von mehr als 1 000 Geschäftsführern und Entscheidern ergeben hat. Dagegen wollen nicht einmal 7 % die Bedeutung von Westeuropa für ihr Unternehmen zurückfahren.

Aus Sicht von Uwe Berghaus, Firmenkundenvorstand der DZ Bank, ist das ein „gutes Zeichen für den Standort und trägt zu dessen wirtschaftlicher Unabhängigkeit bei“. Damit stabile Lieferketten innerhalb Europas gewährleistet seien, müsse die Leistungsfähigkeit des Kontinents sichergestellt sein.

Neben Westeuropa nehmen die Unternehmen aber auch zunehmend Mittel- und Osteuropa sowie die Vereinigten Staaten in den Blick. Zweiteres gilt vor allem für größere Firmen, die vornehmlich in der industriellen Fertigung tätig sind, wie etwa in der Elektrobranche, in der Chemie oder aber auch im Auto- und Maschinenbau. Tatsächlich hatten die im deutschen Mittelstand am häufigsten vertretenen Maschinenbauer im Zuge des Aufschwungs nach der Corona-Pandemie, aber auch durch die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine in diesem Jahr besonders stark mit Beschaffungsproblemen zu kämpfen. In einer Umfrage des Branchenverbands VDMA hatten Ende Juni 87 % der Firmen über merkliche oder gravierende Beeinträchtigungen in ihren Lieferketten geklagt. Wegen des hartnäckigen Teilemangels wurde der Branche zuletzt für 2022 noch ein mageres Produktionsplus von 1 % vorhergesagt − trotz voller Auftragsbücher.

An der hohen Abhängigkeit von China dürfte sich unter dem Strich in Zukunft allerdings nicht viel ändern. Über alle Branchen des deutschen Mittelstands hinweg machen 36 % der in der DZ-Bank-Studie befragten Entscheider eine Abhängigkeit ihrer Lieferketten von dem Land aus. Nirgends sonst ist dieser Wert so hoch − am dichtesten dran ist noch Mittel- und Osteuropa, mit 33 %. Zwar wollen sich 16 % der größeren Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 50 Mill. Euro perspektivisch aus der Volksrepublik zurückziehen (dazu gehören vor allem Unternehmen aus dem Ernährungsgewerbe, Dienstleister, Bau- und Chemieunternehmen). Auf der anderen Seite planen aber rund 15 %, ihre Lieferverflechtungen mit China auszubauen. Vor allem in der Elektroindustrie ist das der Fall, die ohnehin schon im hohen Maße auf die in China hergestellten Vor- und Endprodukte zurückgreifen muss und damit weit überdurchschnittlich von dem Land abhängig ist. Anscheinend locken „immer noch vergleichsweise günstige Preise und ein großer Absatzmarkt“, heißt es in der Studie.

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